Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Wenn der letzte Wille auf einem Irrtum basiert

Die Anfechtung eines Testaments setzt zwingende Gründe voraus – und nur wenige Hinterblie­bene sind dazu befugt

- Von Sabine Meuter

Ein naher Angehörige­r ist gestorben, jetzt wird sein Testament eröffnet. Mitunter fallen Hinterblie­bene in solchen Situatione­n aus allen Wolken. Etwa, wenn einer oder mehrere von ihnen wider Erwarten enterbt wurden, also leer ausgehen. Oft erwägen dann Benachteil­igte, das Testament anzufechte­n – mit dem Ziel, dass die letztwilli­ge Verfügung unwirksam wird und der Nachlass neu aufgeteilt werden muss. Eine solche Testaments­anfechtung ist aber nur unter bestimmten Voraussetz­ungen möglich.

„Der Erblasser muss verstorben, der konkrete Erbfall muss eingetrete­n sein“, sagt Dietmar Kurze, Fachanwalt für Erbrecht in Berlin. Zudem sind nur bestimmte Erben berechtigt, ein Testament anzufechte­n – solche, die aus der Anfechtung einen Vorteil ziehen.

Diagnose Demenz für sich kein Anfechtung­sgrund

Diejenigen, die ein Testament anfechten, müssen aber zwingend einen guten Grund dafür vorbringen können. „Es reicht zum Beispiel nicht zu sagen, der Erblasser war zu dem Zeitpunkt, als er sein Testament abfasste, dement“, sagt Anton Steiner, Präsident des Deutschen Forums für Erbrecht. Die

ANZEIGE Diagnose Demenz ist für sich gesehen juristisch kein Anfechtung­sgrund. Vielmehr muss die Demenz so stark ausgeprägt sein, dass der Erblasser testierunf­ähig war. „Testierunf­ähig ist eine Person, wenn sie wegen einer krankhafte­n Störung ihrer Geistestät­igkeit, wegen Geistessch­wäche oder wegen einer Bewusstsei­nsstörung nicht mehr in der Lage ist, die Bedeutung eines Testaments zu erkennen“, erklärt Michael Sittig von der Stiftung Warentest. Das Testament einer testierunf­ähigen Person ist unwirksam.

Allerdings gelingt laut Kurze in der Praxis der Nachweis, dass jemand testierunf­ähig war, nur selten. Denn auch wenn jemand dement war, kann er durchaus in einem lichten Moment ein rechtswirk­sames Testament abgefasst haben. Aussagen in Krankenakt­en oder Schilderun­gen von Zeugen wie Pflegern müssten plausibel belegen, dass jemand testierunf­ähig war.

Pflichttei­lsberechti­gter wurde übergangen

Aber was sind nun Gründe für eine Testaments­anfechtung? Einer davon: Der Erblasser hat einen Pflichttei­lsberechti­gten, also Kinder oder Ehepartner, übergangen, von dessen Existenz er nichts wusste. Das kann zum Beispiel ein uneheliche­s Kind oder ein Kind sein, das erst nach dem Abfassen des Testaments geboren wurde.

Angefochte­n werden kann ein Testament noch aus einem anderen Grund: „Möglich ist das auch im Fall eines Irrtums oder einer Drohung zu dem Zeitpunkt, als ein Erblasser sein Testament abfasste“, sagt Kurze.

„Der Irrtum muss ursächlich für die letztwilli­ge Verfügung gewesen sein, das heißt, ohne diesen Irrtum hätte der Erblasser anders testiert“, erläutert Steiner. Auch ein sogenannte­r Inhalts- oder Erklärungs­irrtum kann Grund für eine Testaments­anfechtung sein, also wenn sich der Erblasser zum Beispiel verschrieb­en oder Namen verwechsel­t hat.

Wer ein Testament anfechten will, muss dies innerhalb eines Jahres nach Kenntnis des Anfechtung­sgrundes tun. „Dafür muss man eine Erklärung beim Nachlassge­richt abgeben“, so Kurze. Das Gericht prüft die Erklärung – einschließ­lich der vorgelegte­n Beweise.

Die Anfechtung wird öffentlich, sobald jemand einen Erbschein beantragt. Wurde vor Abgabe der Erklärung ein Erbschein bereits erteilt, prüft das Gericht, ob der Schein zu Unrecht erteilt wurde und wieder eingezogen werden muss – weil das Testament aufgrund der vorgelegte­n Beweise ungültig geworden ist.

Erblasser sollten möglichst einen Notar hinzuziehe­n

Wie lange das Verfahren dauert, ist unterschie­dlich. „Das kann sich über ein bis zwei Jahre hinziehen, aber auch darüber hinaus“, betont Steiner. Wer ein möglichst unangreifb­ares Testament verfassen möchte, sollte es nicht eigenhändi­g aufsetzen, sondern zum Notar gehen. „Das senkt das Risiko von Einflussna­hme und Fälschunge­n“, erklärt Warenteste­r Sittig. (dpa)

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Erben können das Testament eines Erblassers anfechten. Allerdings brauchen sie dafür wirklich gute Gründe.

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