Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Sollte Löw zurücktreten?
Es ist Zeit für einen Neuanfang. Und da dieser mit altem Personal an entscheidender Stelle schwer bis kaum zu bewerkstelligen ist, sollte Joachim Löw zurücktreten. Darüber hinaus hat den Bundestrainer nach über einem Jahrzehnt im Amt ganz offensichtlich das Gespür verlassen, eine schlagkräftige Mannschaft zu formen. Er hat Alarmsignale in der schwachen Vorbereitung ignoriert oder sich zu sehr in Sicherheit gewogen. Nach dem Motto: Deutschland ist eine Turniermannschaft, das wird schon wieder werden! Dann hat er zwar „Selbstherrlichkeit“im Mexiko-Spiel entdeckt, danach aber vergeblich versucht, eine erste Elf zu finden. Fast alle Feldspieler kamen zum Einsatz, eine Einheit formte sich nicht daraus. Auch eine echte Hierarchie wie bei der WM 2014 war nicht zu erkennen. Nach zwölf erfolgreichen Jahren als Bundestrainer muss Löw sich übrigens um seinen Platz in der Geschichte keine Sorgen machen: Sepp Herberger, Helmut Schön, Franz Beckenbauer, Joachim Löw – an dieser Reihe kann nichts und niemand rütteln. Auch nicht ein mehr als peinliches WM-Vorrunden-Aus in Russland.
Ja, er hätte reagieren müssen! Ganz klar. Keine Ausreden. Er hätte die Zeichen im Team erkennen müssen: die Grüppchen und damit der fehlende Teamspirit. Er hätte vielleicht auch den Kader anders zusammenstellen sollen – nicht nur auf die satten und glattgebügelten Buben setzen und auch manchmal taktisch variabler agieren. All das ist genauso richtig und muss sich der Bundestrainer genauso ankreiden lassen. Doch genau das weiß unser Jogi jetzt auch. Der Weltmeister-Trainer (Bitte nicht vergessen!) ist nicht satt. Störrisch, ja. Aber er hat sich genauso blenden lassen wie auch der Rest der DFBDelegation und viele Fans. Irgendwann wird das Team explodieren – tat es nicht. Und genau das macht einen Trainer Löw nun hungrig und gefährlich.
Jetzt gibt es definitiv keine Lieblinge und alten Meriten mehr – nun wird es Rücktritte hageln. Alles steht auf dem Prüfstand. Und auch der Schwarzwälder weiß spätestens jetzt, dass es ohne klassischen Leader einfach nicht geht. Dementsprechend wird er handeln und ein Team formen, wie er es bereits so oft erfolgreich geschafft hat. Und eine Frage bliebe ohnehin. Gäbe es überhaupt einen besseren Trainer?
Löw hat das Gespür für die Mannschaft verlassen. Von Michael Panzram
Löw ist nun hungrig – und alternativlos. Von Felix Alex