Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Stadtwerke setzen auf virtuelles Kraftwerk
Auf dem Kasernenareal entsteht ein Modellprojekt zur Energieerzeugung
SIGMARINGEN - Auf dem Kasernengelände sollen künftig drei Viertel der benötigten Energie vor Ort auf regenerativer Basis erzeugt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, gründen die Stadtwerke das EQ Sig. Die Abkürzung steht für energieautarkes Quartier Sigmaringen. Die Pläne wurden am Mittwoch vorgestellt. Bis 2021 sollen eine Hackschnitzelheizung, drei Windräder, Spitzenlastgaskessel, Blockheizkraftwerke, Solarthermieund Fotovoltaikanlagen sowie Speicher gebaut sein.
Herzstück des EQ Sig ist ein virtuelles Kraftwerk. Der Ansatz: „Viele kleine Kraftwerke sollen so gesteuert werden, dass sie wie ein großes Kraftwerk arbeiten“, erklärt Bernt Aßfalg, der Werkleiter der Stadtwerke die Idee. Die dezentral auf dem Gelände verteilten Kleinkraftanlagen bilden zusammen das virtuelle Kraftwerk. Die Steuerung soll dafür sorgen, dass die Energie dann bereitgestellt wird, wenn sie gebraucht wird. Zudem sollen Wetterdaten in das virtuelle Kraftwerk eingespeist werden, um besser vorhersagen zu können, wann Energieerzeugung aus Sonnen- und Windenergie möglich ist. „Das System lernt über Wetterdaten dazu“, erklärt Michael Bauer, der Leiter der Energieagentur Sigmaringen.
Um das EQ Sig wissenschaftlich zu begleiten, sind die Energieagentur und die Hochschule Albstadt-Sigmaringen mit im Boot. Zwei Doktoranden beschäftigen sich unter anderem damit. Das Projekt hat nach Ansicht von Prorektor Matthias Premer Modellcharakter. „Bei einer H0-Eisenbahn wird modellhaft die große Eisenbahn abgebildet. Bei uns ist das genau so.“
Neue Erkenntnisse erhofft
Die Wissenschaftler versprechen sich vom virtuellen Kraftwerk neue Erkenntnisse für die Energiewirtschaft. Das Projekt wird deshalb als „Reallabor der Energiewende“bezeichnet und vom Bundesumweltministerium unterstützt. Über die nationale Klimaschutzinitiative sind 80 Prozent der bei 7,4 Millionen Euro liegenden Investitionskosten abgedeckt. Die restlichen 2,1 Millionen Euro schultern die Stadtwerke. „Das Projekt soll nach außen strahlen“, nennt Axel Conradi von der Werbeagentur Bateau Blanc ein weiteres Ziel. Aktuell wird auf dem Kasernenareal die Wärme auf konventionelle Weise erzeugt. Der Autarkiegrad liegt deshalb bei null Prozent, künftig sollen 75 Prozent der Energie im Quartier auf regenerativer Basis erzeugt werden. Die jährliche CO2-Einsparung geben die Verantwortlichen mit 3300 Tonnen an. Die Heizzentrale mit bis zu 30 Jahre alten Gaskesseln ist in die Jahre gekommen, was an ihrem desolaten Wirkungsgrad abzulesen ist. Die Stadtwerke geben die Verluste mit bis zu 35 Prozent an. „Das alles ist nicht mehr zeitgemäß“, sagt Jens Brucker, bei den Stadtwerken Projektleiter. Die Heizzentrale soll deshalb zuerst auf Hackschnitzel umgestellt werden. Eine Stromerzeugung gibt es auf dem Areal bislang nicht. Diese soll künftig über Fotovoltaik, die Blockheizkraftwerke und drei Windkraftanlagen, die jeweils eine Höhe von 25 Metern haben, erfolgen. „Kleine Windkraftanlagen sind ineffizient“, kommentierte Gemeinderat Gerhard Stumpp (Grüne). Um forschen zu können, sei die Windenergie jedoch notwendig, entgegnete Projektleiter Brucker.
Die Energieerzeugung ist so angelegt, dass sie mit dem Bedarf wachsen kann. Im ersten Schritt wird unter anderem der westliche Bereich versorgt, in dem der Innocamp und erste Gewerbeansiedlungen wie die Firma Hamcos in Kürze realisiert werden. Für das Wohngebiet Riedbaum besteht ebenfalls die Möglichkeit, an das regenerative Wärmenetz angeschlossen zu werden.
Weitere Informationen zum Energiequartier Sigmaringen sind im Internet zu finden: