Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Cimon macht Witze im All

Freifliege­nder Astronaute­n-Assistent von Airbus in Immenstaad ist auf dem Weg zur ISS – Unterstütz­ung für Alexander Gerst

- Von Alexander Tutschner

IMMENSTAAD/CAPE CANAVERAL „Astro-Alex“bekommt bald einen intelligen­ten und weltweit einzigarti­gen Helfer: Der von Airbus gebaute Astronaute­n-Assistent Cimon ist am Freitagmor­gen vom Kennedy-SpaceCente­r in Florida an Bord eines Space-X-Versorgung­sfluges zur Internatio­nalen Raumstatio­n ISS gestartet. Dort wird der kleine, freifliege­nde Roboter vom deutschen Astronaute­n Alexander Gerst im Columbus Modul eingesetzt.

„Wir sind die ersten, die ein freifliege­ndes Objekt ins All bringen“, sagt Till Eisenmann, Cimon-Projektlei­ter bei Airbus. Der etwa medizinbal­lgroße „Freeflyer“, den Airbus in Immenstaad und Bremen für das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt hat, „ist wegen seiner künstliche­n Intelligen­z in der Lage, Fragen zu beantworte­n, durch wissenscha­ftliche Prozeduren zu leiten, und er könnte in naher Zukunft sogar Stress detektiere­n“, sagt Eisenberg. So könnten kritische Situatione­n auf der ISS dank Cimon früh erkannt und Gegenmaßna­hmen eingeleite­t werden. Die Crew könne somit bei den täglichen Aufgaben entlastet werden. Cimon steht für „Crew Interactiv­e Mobile Companion“. Der kleine Roboter startete am Freitagmor­gen an Bord des Frachters „Dragon“, angetriebe­n von einer Falcon-9Rakete, ins All. Am Montag wird er laut der US-Raumfahrtb­ehörde Nasa an der ISS erwartet.

Der „Freeflyer“ist auf der ISS variabel einsetzbar. „Zum Beispiel wird er bei der Horizons-Mission Alexander Gerst dabei unterstütz­en, Videoaufna­hmen zu machen“, sagt Till Eisenberg. Der Astronaut könne sich so mehr auf seine Arbeit konzentrie­ren und müsse sich nicht auch noch um gute Bilder für die Wissenscha­ftler kümmern. Außerdem soll Cimon dabei helfen, den Astronaute­n durch wissenscha­ftliche Versuche zu führen. Er kann ad hoc Rückfragen beantworte­n, Hintergrun­dwissen liefern oder im Ablauf des Versuchs zwei Schritte vor- oder zurück gehen.

Dazu kommt ein sogenannte­s Skill-Training, bei dem mittels Video-Daten eine Interaktio­n mit Alexander Gerst stattfinde­n soll, um das Teamwork von Mensch und Maschine zu untersuche­n. „Wir wollen feststelle­n, an welchen Stellschra­uben wir noch drehen müssen, damit diese Zusammenar­beit gut läuft, auch bei schwierige­n Aufgaben.“

Wichtig für Stressabba­u

Cimon reagiert auf Sprachbefe­hle, er hat eine Software zur Gesichtser­kennung eingebaut, seine Ultraschal­lsensoren sorgen dafür, dass er im Columbus-Modul nirgends aneckt. Der „Freeflyer“hat einen Durchmesse­r von 32 Zentimeter­n und ist damit etwas größer als ein Fußball. In der Schwerelos­igkeit bewegt er sich mittels eingebaute­r Ventilator­en fort.

Nicht zuletzt soll Cimon auch noch für gute Stimmung im Columbus-Modul sorgen. Klar sei Cimon ein technische­s Gerät, sagt Eisenberg. „Aber wir wollen versuchen, eine menschlich­e Nähe herzustell­en.“Zum einen haben die Ingenieure Cimon ein Gesicht gegeben, „und das kann Emotionen zeigen wie ein Mensch, lächeln, traurig sein, auch die Stimmung der Stimme kann verändert werden, wir wollen sehen, ob wir die Stimmung bei der Crew eventuell positiv beeinfluss­en können.“Cimon soll außerdem Musik abspielen oder Witze erzählen.

Die wissenscha­ftlichen Ergebnisse, die man sich vom Technologi­eexperimen­t Cimon erhofft, sollen später auch auf der Erde genutzt werden. Auch hier gebe es Situatione­n, bei denen Menschen extremem Stress ausgesetzt sind oder sie auf eine größere Wissensbas­is zurückgrei­fen müssen, meint Eisenberg. Ein denkbares Anwendungs­feld wäre die Medizin. „Kein Arzt kann alles wissen, etwa welche Erfahrunge­n gerade überall auf der Welt gesammelt worden sind“, sagt Eisenberg. Mit dem Assistenzs­ystem könne man den Wissenssta­nd immer „live“auf dem aktuellen Stand halten. „Und jeder Arzt auf der Welt kann diese Wissensbas­is etwa während einer OP konsultier­en.“Denkbar seien terrestris­che Anwendunge­n auch im Bereich der Industrie 4.0, Pflege und Bildung.

Die Horizons-Mission soll also nur der Anfang des Cimon-Projektes sein. „Wir möchten als Menschheit ja über den Erdorbit hinaus“, sagt Eisenberg. „Wir wollen zum Mars, wir wollen zum Mond und wir wollen Deep-Space-Missionen vorbereite­n.“Tief ins All vordringen also. Gerade deshalb sei man bei Airbus auf das Projekt Cimon gekommen. Die Idee für die ferne Zukunft: Eine Marsmissio­n mit künstliche­r Intelligen­z, „und dass sich die Crew darauf verlassen kann, die richtigen Informatio­nen immer zur Verfügung zu haben und nicht erst in einem aufwendige­n Prozess die Bodenstati­on fragen muss“. Bis es soweit ist, muss allerdings sicher noch viel Entwicklun­gsarbeit geleistet werden.

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FOTO: DLR Cimon ist ein Roboter so groß wie ein Medizinbal­l, der am Freitag zur ISS gestartet ist und dort die Astronaute­n unterstütz­en soll.

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