Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Gangsterjagd in Mumbai
„Der Pate von Bombay“, die erste indische Serie von Netflix, startet nächsten Freitag
Krimispannung statt Bollywood: Der Streamingdienst Netflix zeigt von 6. Juli an seine erste indische Serie – und die kann es locker mit den anspruchsvollsten Formaten aus Europa oder den USA aufnehmen.
In „Der Pate von Bombay“kämpft der desillusionierte Polizeiinspektor Sartaj Singh (Saif Ali Khan) gegen den Sumpf aus polizeilicher Korruption und mafiösen Verbrechen in der Millionenmetropole Mumbai. Die achtteilige erste Staffel ist komplex, spannend und blutig. Wer sich also jenen Mix aus bonbonbunter Ausstattung, Liebeskitsch und Tanzeinlagen erwartet, wie man ihn aus vielen Bollywood-Filmen kennt, der ist hier falsch: „Der Pate vom Bombay“lässt sich am ehesten mit der düsteren italienischen Mafiaserie „Gomorrha“vergleichen.
Der Held ist Sikh
Die Story entwickelt von der ersten Minute an einen starken Sog. Der Turban tragende Sartaj Singh ist der einzige Inspektor von Mumbai (bis 1996 Bombay), der zur Religionsgemeinschaft der Sikh gehört. Als er seine Kollegen, die einen wehrlosen Verdächtigen erschossen haben, nicht decken will, wird er von ihnen zusammengeschlagen. Er ist frustriert, seine Frau hat ihn verlassen, und daheim streikt mal wieder die Wasserversorgung. Ein nächtlicher Anruf ändert Singhs Leben schlagartig: Der berüchtigte Mafia-Boss Ganesh Gaitonde (Nawazuddin Siddiqui) lotst den Inspektor zu seinem Versteck in einem atombombensicheren Bunker und erzählt Singh während dessen Irrfahrt durch die Stadt von seinem Leben voller Gewalt. Als Singh und seine Männer das Haus stürmen, nimmt der Gangster sich das Leben. Einiges deutet darauf hin, dass Gaitonde von einem bevorstehenden nuklearen Anschlag in Mumbai wusste – nun ist guter Rat teuer.
„Der Pate von Bombay“ist eine packende Serie mit einem unvergleichlichen Regionalkolorit, aber auch ziemlich brutal. In der ersten Szene stirbt ein Hund, in der zweiten eine Frau, später werden Männer grausam gefoltert oder erschlagen. Das muss man als Zuschauer wegstecken können. Im Gegenzug gibt es eine spannende Story und faszinierende Einblicke in die indische Kultur. In den Handlungssträngen, die in der Gegenwart spielen, werden ärmlich wirkende Straßenszenen, rückschrittliche Verwaltung, die allgegenwärtige Angst vor Terrorismus und die moderne Computerwelt der Metropole Mumbai gegenübergestellt. In den Rückblenden begleitet der Zuschauer den Aufstieg des jungen Ganesh Gaitonde zum Drogenbaron: Zeitreisen zeigen ihn an der Seite seines Vaters, einem Bettelmönch, später wird Gaitonde Goldschmuggler im Dschungel oder jobbt in einem vegetarischen Hindu-Restaurant, wo er sich an seinem ausbeuterischen Chef rächt, indem er abgenagte Hähnchenknochen in den Reis schmuggelt: eine Massenschlägerei ist die Folge.
Drehbuch nach Bestseller
Die Serie basiert auf dem hochgelobten Bestsellerroman „Sacred Games“des indisch-amerikanischen Autors Vikram Chandra, der in Deutschland unter dem Titel „Der Gott von Bombay“erschienen ist. Darin geht es um die Schattenseiten des wirtschaftlichen Aufschwungs in Indien, um explosive religiöse und politische Spannungen, organisiertes Verbrechen, Korruption und Spionage. Für Netflix ist die „Sacred Games“-Adaption nur der Anfang, aktuell arbeitet der Streamingdienst an sechs weiteren indischen Produktionen.
„Der Pate von Bombay“ab Freitag, 6. Juli, auf Netflix