Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Menschen aus der Stadt kommen selten ins Café
Ehrenamtliche der Begegnungsstätten Sigmaringens erzählen, wie es ihnen momentan ergeht
SIGMARINGEN - Sie sind viele, aber in letzter Zeit wurde es immer leiser um sie: Jeden Tag engagieren sich Flüchtlingshelfer in Sigmaringen, damit die Integration erfolgreich gelingen kann. Längst ist die Euphorie abgeebbt, in deren Zuge sich so viele einbringen wollten. Damals strömten dutzende Menschen auf die Caritas und das Deutsche Rote Kreuz ein und boten ihre Hilfe an. „Manche haben ihre gesamten Sommerferien hier verbracht“, erinnert sich Stefanie Gäble, die Koordinatorin der ehrenamtlichen Arbeit beim DRK. Diejenigen, die heute helfen wollen, sind meistens schon seit Anfang an dabei.
Stefanie Gäble sitzt auf der Terasse des Begegnugszentrums. Als die Kaserne noch von der Bundeswehr genutzt wurde, war dies das Offiziersheim. Es ist ein lauer Abend. Drinnen läuft über einen Beamer ein WM-Spiel. Eine Handvoll Geflüchteter aus der Landeserstaufnahmestelle (LEA) ist herübergekommen. Für 50 Cent gibt es heiße und kalte Getränke, kostenlos gibt es Ansprechpartner und Gruppenangebote. Auch Geflüchtete helfen beim Café als Mitarbeiter aus. Stefanie Gäble und ihre rund 40 Ehrenamtlichen des DRK stemmen ein umfangreiches Programm: Sie organisieren ein Internetcafé, eine Kreativwerkstatt, die Kinderbetreuung sowie verschiedene Workshops vom Kegeln bis hin zum Federball, das beim warmen Wetter jetzt „sehr angesagt“sei.
Vorteil: Ängste und Vorurteile werden abgebaut
Eigentlich soll das Begegnungszentrum auch Begegnungen zwischen Sigmaringern und Geflüchteten ermöglichen. Menschen aus der Stadt, die sich nicht als Ehrenamtliche engagieren, kämen aber äußerst selten, sagt Gäble. „Das ist schade, denn auch die Bewohner der LEA freuen sich immer, wenn Deutsche da sind, mit denen sie die Sprache üben können.“Und durch Gespräche, führt sie aus, könnten doch beiderseits Vorurteile und Ängste genommen werden.
Ein ähnliches Angebot gibt es auch direkt im Stadtkern: Vom Fidelishaus aus koordiniert Manuela Friedrich die ehrenamtlichen der Caritas. Ein solider Kern sei übrig geblieben, sagt die 33-Jährige. Etwa 50 Ehrenamtliche sind derzeit bei der Caritas aktiv. Montags- und donnerstagabends treffen sich einige von ihnen im großen Saal im Erdgeschoss des Fidelishauses. Café Globus heißt das Angebot, das sich an Flüchtlinge genauso wie alle Sigmaringer richtet. „Jeder kann hier vorbeikommen“, erklärt Manuala Friedrich. Das Café will Brücken bauen, Vorurteile auf beiden Seiten zertrümmern.
Einheimische und Geflüchtete sitzen bei Kaffee und Keksen zusammen. Bei der Kniffel-Runde wird laut gelacht. Manchmal spielen sie hier auch Brettspiele oder Uno. Einen Tisch weiter beantwortet die 58-jährige Birgitta Fürst der 28-jährigen Blessing Babalola Fragen zu einem Minijob-Vertrag. Auch Birgitta Fürst gehört zu denen, die sich schon seit zweieinhalb Jahren engagieren.
Eine 65-jährige Sigmaringerin am Nebentisch ist die einzige, die sich nicht als Ehrenamtliche bezeichnet und trotzdem immer wieder gerne vorbeischaue. „Es bereichert mich ungemein“, sagt sie. „Ich bin jetzt in einem Alter, wo andere vielleicht nachmittags zum Kränzchen mit ihren Freundinnen gehen. Stattdessen treffe ich mich mit jungen Arabern und Afrikanern“, scherzt sie. „Das hätte ich mir vor ein paar Jahren sicherlich auch noch nicht zugetraut.“Die jungen Männer aber seien alle im Alter ihres eigenen Sohnes. „Ich habe mir gedacht: Was würde ich denn machen, wenn das mein Kind wäre?“Viel habe sie bei den Gesprächen auch über sich selbst neu erfahren – und über andere Kulturen. „Ich weiß jetzt deutlich mehr von der Welt, als ich das früher als Lehrerin getan habe.“