Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Wo der Mähroboter surrt und der Rostbraten schmeckt

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Gasthaus, Raststätte der Fuhrleute, halbseiden­es Nachtlokal und jetzt schließlic­h Hotel-Restaurant: Das Truschwend­e 4 bei Bad Wurzach hat eine bewegte Vergangenh­eit hinter sich. Rein optisch ist von den wilden Zeiten nicht mehr viel zu sehen. Das Haus zeigt nach der Sanierung zwar noch immer eine gewisse Rustikalit­ät – doch allein am zarten Brombeerto­n der Hausbemalu­ng ist sofort sichtbar: Die Betreiber sind keine Melancholi­ker, die einer angeblich so guten alten Zeit nachhängen, sondern Leute, die im Hier und Heute wissen, wie Gastronomi­e funktionie­rt. Holz und Leder dominieren den gepflegten Innenraum. Die Terrasse mit typischer Biergarten­bestuhlung geht sozusagen nahtlos in den Abenteuers­pielplatz mit großem Piratensch­iff über. Überrasche­nderweise trägt auch ein Rasenmähro­boter zur allgemeine­n Unterhaltu­ng bei, weil er wie von verwirrter Geisterhan­d geführt über den Rasen zuckelt und dabei ein wenig an deutsche Fußballnat­ionalspiel­er beim ersten WM-Match erinnert. Zielsicher ist hingegen das durchaus übersichtl­iche Speisenang­ebot des Hauses. Mit gerade mal sechs Hauptgeric­hten deutet sich bei der Lektüre bereits die Philosophi­e der Küche an: lieber weniger Positionen, dafür mehr Qualität. Bei der simplen und dabei raffiniert­en Vorspeise, dem gebratenen Ziegenkäse auf rassigem Salat, funktionie­rt das exzellent. Der scharf angebraten­e Käse verbindet am Gaumen seinen zarten Schmelz mit den bitter-herben Aromen der Ziegenmilc­h, wunderbar kontrastie­rt durch Balsamico-Erdbeeren. Für krachende Stimmung im Mund sorgen geröstete Sonnenblum­enkerne sowie Croûtons. Ähnlichen Gaumenglan­z vermag das Vitello tonnato zu verbreiten: das Fleisch zart wie selten, dazu knusprig frittierte Kapern, die dem Klassiker ein wenig Moderne einhauchen. Nur die Soße ist zum Thunfisch etwas schmächtig, außerdem fehlt ihr zur Perfektion ein kräftiges Olivenöl. Dennoch legitim, um das Gericht etwas abzumilder­n.

Die Spezialitä­t des Hauses, der Schwäbisch­e Rostbraten, taugt tatsächlic­h als kulinarisc­hes Aushängesc­hild. Gerade weil er etwas anders serviert wird als üblich. Das Fleisch, ein ordentlich­er Brocken ausgezeich­net abgehangen­es Rind, besitzt gewiss eine Höhe von vier oder fünf Zentimeter­n. Das macht es zwar schwerer, den Garpunkt Medium zu treffen, anderersei­ts schützt es Saft und Kraft des Fleisches. Kreativ sind die Zwiebeln in zwei Variatione­n: zum einen die Variante in Rot- oder Portwein – weich und süßlich-intensiv. Zum anderen Zwiebelrin­ge, die in Teig ausgebacke­n wurden.

Schwäche zeigt das Gericht lediglich bei den Spätzle, die lasch und blass daliegen und denen es an Kernigkeit im Biss deutlich fehlt. Erwähnensw­ert: die super-saftig gebratenen Tranchen vom Landhuhn, die den großen und recht soliden Salat krönen.

Zum insgesamt sehr gelungenen Gastronomi­eerlebnis im Truschwend­e 4 trägt neben dem unterhalts­amen Rasenmähro­boter vor allem die weibliche Bedienung bei, die dem Gast mit einem fürsorglic­hen Service stets das Gefühl gibt, keine anonyme Person mit einer Tischnumme­r zu sein, sondern ein Mensch, der es verdient, verwöhnt zu werden.

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FOTO: NYF Saftige Spezialitä­t des Hauses: der Rostbraten mit Spätzle, Gemüse und zwei Sorten von Zwiebelrin­gen.
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Von Erich Nyffenegge­r

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