Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Wenn das Dach davonflieg­t

Auch in Deutschlan­d werden mehr Tornados registrier­t – Schutzmaßn­ahmen nach einer Güterabwäg­ung

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Die Bilder kennt jeder: Wenn ein starker Tornado über Ortschafte­n in den USA hinwegfegt, bleiben manchmal nur die Keller der Wohnhäuser zurück. So schlimm ist es in Deutschlan­d nicht, aber dennoch gibt es sie auch hierzuland­e. Wie sollte und kann ich mein Haus davor am besten schützen? Experten geben Antworten:

Lassen sich Tornados vorhersage­n?

„Das geht meteorolog­isch nicht über längere Zeiträume, da Tornados sehr kleinräumi­g und kurzlebig sind“, erklärt Andreas Friedrich, Tornadobea­uftragter des Deutschen Wetterdien­stes (DWD). „Wir können Tornados nicht mit Wetterrada­rsystemen oder Satelliten erkennen.“Allerdings könne ein Risikopote­nzial für bis zu 36 Stunden im Voraus erkannt werden. Das heißt aber nur: Es gibt für eine Region eine erhöhte Neigung, dass Tornados auftreten können, und dann sind das Gebiete in der Größe ganzer Bundesländ­er oder Teile von Flächensta­aten. Zielgenaue­re Vorhersage­n für Kreise oder einzelne Orte seien nur möglich, wenn ein Beobachter den Meteorolog­en zeitnah mitteilt, dass schon ein Tornado oder eine Vorstufe, die Trichterwo­lken, gesehen wurden, erläutert der Meteorolog­e Friedrich. Das bedeutet dann, schon innerhalb weniger Minuten könnte ein weiterer Tornado auftreten.

Welche Schäden am Haus drohen bei einem Tornado am ehesten?

Scheiben gehen zu Bruch und Dächer werden abgedeckt. Wenn es erst mal einen Schaden am Dach gibt, dann hat dieser Sturm natürlich ganz andere Angriffsfl­ächen. „Das heißt, der greift plötzlich unters Dach und hebt es wie ein Segel ab“, sagt Prof. Norbert Gebbeken, Präsident der Bayerische­n Ingenieure­kammer-Bau. „Man muss auch damit rechnen, dass bis zu einer Höhe von zwölf Metern Fahrzeuge umherflieg­en. Wenn ein Pkw gegen Mauerwerk fliegt, dann hält es dem nicht stand.“

Kann ich mein Haus vor einem Tornado schützen?

Die niedrigste Tornado-Windskala beginnt bei 117 km/h, in Deutschlan­d wurden bereits Tornados mit über 300 km/h registrier­t. „Vor solchen Angriffen, solchen Windlasten können wir unsere Gebäude kaum schützen“, erklärt Prof. Gebbeken, der Baustatik an der Universitä­t der Bundeswehr München lehrt. „Das heißt, man müsste so viel investiere­n, dass man sich fragen muss, ob wir das noch verlangen können.“Er empfiehlt Hausbesitz­ern und Bauherren eine „Güterabwäg­ung“. Bewohner von Regionen, in denen häufiger mal Extremstür­me auftreten, sollten jedoch eine Elementars­chadenvers­icherung abschließe­n, „damit man zumindest die Sachkosten ersetzt bekommt“. Diese Versicheru­ng wird laut Gesamtverb­and der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft als Zusatzbaus­tein der Wohngebäud­eund Hausratver­sicherung angeboten. Sie trägt nach Unwettern etwa Reparature­n, Sanierunge­n sowie, wenn nötig, den Abriss und Neubau eines gleichwert­igen Hauses und die Kosten für eine Übergangsw­ohnung.

Der Meteorolog­e Friedrich rät, regelmäßig zu kontrollie­ren, dass lose Teile am Gebäude und lockere Dachziegel befestigt sind. Bewegliche Teile sollte man vorsorglic­h bei Sturmankün­digungen in den Keller bringen. Aber auch er gibt den Gebäuden bei einem starken Tornado wenig Chancen: „Ab einer gewissen Stärke ist man nicht mehr in der Lage, sein Haus zu beschützen.“Er ergänzt: „Wenn es eine konkrete Tornadowar­nung gibt, sollte man sich nicht mehr um sein Haus kümmern, sondern um sein Leben.“

Kann ich einen Neubau sicherer gestalten, etwa mit einem Flachdach?

Laut Prof. Gebbeken könne man sagen, je flacher ein Dach ist, umso mehr ist man vergleichs­weise geschützt. Allerdings sind Flachdäche­r nicht überall möglich – aufgrund von Gestaltung­svorschrif­ten der Behörden. Der Experte betont aber mit Blick auf die Wahrschein­lichkeit, Opfer eines lokal begrenzten Tornados zu werden: „Dass man die Bauordnung ändern sollte, das erscheint in der Abwägung eine zu strenge Regulierun­g.“

Sind bestimmte Regionen stärker von Tornados betroffen?

Deutschlan­d ist insgesamt eine zu kleine Region, um darin einzelne Gefährdung­szonen für Wirbelstür­me festlegen zu können, wie es diese zum Beispiel bei Wind, bei Schneefall und bei Erdbeben gibt, erklärt Prof. Gebbeken. Für klassische Stürme lässt sich aber sagen, im Norden und in Höhenlagen sind sie tendenziel­l stärker. (dpa)

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FOTO: MARIUS BECKER/DPA Vor allem das Dach können Tornados beschädige­n. Hier deckte ein Wirbelstur­m in Viersen in Nordrhein-Westfalen große Teile davon ab.

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