Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Unglaublich unverantwortlich
Glaubt noch jemand, dass diese Regierung die nächsten dreieinhalb Jahre zusammenhalten wird? Dass die Union verantwortlich weiterregiert? Die Risse sind zu tief, die Verletzungen zu groß, um weiterzumachen. Die Wähler haben das Recht, regiert zu werden, und das so gut wie möglich.
Mit dieser Totalverweigerung der CSU hat niemand gerechnet. Horst Seehofer bleibt bei seiner Meinung, dass die Ergebnisse, die Merkel vom Europäischen Gipfel mitgebracht hat, unzureichend sind. Dabei hat Merkel das Machbare erreicht – und mehr, als viele erwartet hatten.
Die deutsche Kanzlerin wird wegen der Krise Europas zurzeit mehr denn je gebraucht, und es war der frühere Außenminister Sigmar Gabriel (SPD), der davor warnte, ein Sturz Merkels würde Europa ins Wanken bringen. Die Sozialdemokraten stehen ihr stützend zur Seite, doch auch die SPD ist dieser Tage angeschlagen. Trotzdem lässt die CSU den Streit weiter eskalieren, stellt damit ihre Landtagswahl über die Interessen der Bundesrepublik.
Natürlich trägt auch Kanzlerin Angela Merkel selbst ein Stück Verantwortung für den Streit, weil sie öffentlich und gegenüber Seehofer keinen Zentimeter nachgab, während sie auf europäischer Ebene doch viele ihrer Positionen räumte. Die Festung Europa, sie wird kommen, das ist seit dem EU-Gipfel vom letzten Freitag klar – die CSU könnte zufrieden sein.
Sicher ist: Der Streit zwischen CSU und CDU kann nicht zum Dauerzustand werden und auch nicht bis zur Landtagswahl in Bayern weitergeführt werden. Dazu wird viel zu viel Porzellan zerschlagen, wenn sich nun in Deutschland die letzte große Volkspartei selbst zerlegt. Wähler können kaum Vertrauen in Parteien entwickeln, die sich selbst nicht über den Weg trauen. Das Bild der größten Volkswirtschaft Europas wird geschädigt, weil Deutschland seit einem Dreivierteljahr nicht mehr richtig regiert wird. Und der Zusammenhalt Europas, das ohnehin auseinanderdriftet, wird in Gefahr gebracht. Das alles ist unglaublich verantwortungslos.