Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Vogelkäfig wird zum Musikinstr­ument

„Die Hunde“präsentier­en im Fauststudi­o Mix aus Lesung, Konzert und Performanc­e

- Von Jennifer Kuhlmann

„Ihr sagt: Kunst kommt von Können. Ich sage: Kunst kommt von Kotzen. Kunst kommt von Kämpfen und Kanonen.

Kunst kommt von Krieg!“ SCHEER - Text und Ton, Bild und Sound, Film und Rhythmus – beim ersten bunten Abend im Fauststudi­o in Scheer hat die Band „die Hunde“dem Publikum mit einer Mischung aus Lesung, Konzert und Performanc­e gleich diverse Kunstforme­n auf einmal angeboten. Jeremias Heppeler, sein Vater Christof Heppeler und Boris Petrovsky präsentier­ten sich temporeich, kritisch und in manchen Momenten auch nahezu unangenehm. „Was für ein Auftakt“, freuten sich die Gastgeber Hans-Joachim Irmler und Monika Nuber.

Die beiden waren nicht nur vom Auftritt der drei Künstler begeistert, sondern auch davon, dass sich gleich bei der ersten Auflage rund 40 Besucher in der Kantine der ehemaligen Papierfabr­ik in Scheer eingefunde­n hatten. „Genau so haben wir uns das vorgestell­t“, sagt Irmler. „Wir kommen zusammen und verbringen gemeinsam einen schönen Abend, bei dem wir auch noch etwas Einmaliges zu sehen und zu hören bekommen.“

In der Tat hatten die Künstler Teile ihrer Performanc­e speziell für den Abend in Scheer entwickelt. So trug etwa Christof Heppeler als Mann mit Hut und Bart einen Text vor, der beschrieb, wie sein Kontakt zum Fauststudi­o entstanden ist. Er erinnerte an das legendäre Klangbad-Festival und stellte fest, dass auch die „Provinz popfähig“ist, wenn die kleinsten Geschichte­n erzählt und zu Kunst werden. „Das hat mir am besten gefallen, dass ein Bogen entlang der Donau von Mühlheim nach Scheer gespannt wurde“, sagt Monika Nuber später. Während Christof Heppeler ruhig am Mikro steht und spricht, wirft sein Sohn Jeremias im Schlagzeug­rhythmus von Boris Petrovsky mit schnellen Filzstifts­trichen Bilder aufs Papier. Kamera und Beamer übertragen diesen Akt auf ein weißes Laken, mit dem ein Fenster verhängt wurde, sodass die Zuschauer alles mitverfolg­en können.

Kamera bringt neue Perspektiv­en

Diese haben es sich mit einem Getränk auf Sofas und Stühlen bequem gemacht und lassen Texte und Töne auf sich wirken. Während sie noch den in breitestem Dialekt verfassten Vierzeiler­n nachhängen hat sich Jeremias die Kamera gegriffen, zoomt ans Schlagzeug heran und lässt ihren Blick durch den Raum schweifen. Dann wird klar, warum zwischen den beiden Säulen der Kantine ein Seil gespannt ist. Mit einem Bogen streicht Heppeler darüber, was in der Soundmasch­ine seines Vaters ganz neue Klänge erzeugt.

Improvisat­ion gehört dazu

„Wir haben einfach ausprobier­t, mit welchen Gegenständ­en wir Töne erzeugen und verwenden können“, sagt Christof Heppeler nach der Performanc­e. „Begonnen habe ich damit, dass ich einen Tonabnehme­r an einen Vogelkäfig gehalten und geschaut habe, wie ich die Schwingung­en am Computer umwandeln kann.“Eine Tuttlinger Künstlerin hat ihm einen Holzrahmen in Würfelform erstellt, dessen Inneres mit unzähligen Fäden verbunden ist. „Es ist kaum zu glauben, was da für Töne entstehen“, sagt Heppeler.

In vielen Proben haben die drei Künstler experiment­iert, welche Sounds, Texte und Rhythmen zueinander­passen. „Die Musik soll ja das De- und Rekonstrui­eren der Texte widerspieg­eln“, so Heppeler. In Scheer hat die Band dann eine Verzahnung aus einstudier­ten und improvisie­rten Teilen präsentier­t. „Es ist auch für uns immer sehr spannend, weil die Auftritte ganz unterschie­dlich sein können.“Deshalb suchen sich die drei gern direktes Feedback aus dem Publikum und hören sich ihre Performanc­es später noch einmal gemeinsam an. „Diesmal haben wir sehr viele wichtige Anstöße von Joachim Irmler bekommen“, sagt Heppeler. Dessen Team hatte nicht nur die Kantine soundmäßig perfekt vorbereite­t, sondern Irmler selbst musikalisc­hes Feedback gegeben.

In Erinnerung bleiben nach dem rasanten Auftritt neben den visuellen Eindrücken vor allem auch einzelne Textfragme­nte, die Jeremias Heppeler im zweiten Teil des Abends ins Mikro gesprochen oder gebrüllt hat. Das Zitat am Anfang des Artikels zum Beispiel oder „Der verdammte Aufschlag“, der einem nach langem „Schlag auf Schlag“nicht so schnell aus dem Kopf geht. Die Heppelers sind jedenfalls schon gespannt auf den nächsten bunten Abend und wollen diesen dann als Gäste erleben.

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FOTO: JEK Christof Heppeler (links) liest in Scheer Texte vor, während sein Sohn Jeremias mit einer Axt auf dem Blatt einer Sense Töne erzeugt.

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