Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Knochen erzählen vom schweren Leben

Auf dem Campus Galli erläutern zwei Anthropolo­ginnen Gebeinfund­e

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MESSKIRCH (chw/sz) - Die Anthropolo­ginnen Isabelle Jasch und Antje Langer sind am Wochenende, 7. und 8. Juli, vor Ort im Campus Galli und erläutern anhand echter menschlich­er Knochen aus den Sammlungen der Universitä­t Tübingen und des Landesamte­s für Denkmalpfl­ege das Leben und Leiden im Mittelalte­r. Die Veranstalt­ungen beginnen am Samstag um 10 Uhr und enden am Sonntag um 18 Uhr. Hinweise auf Lepra, Vitaminman­gel und Kampfverle­tzungen sind bei den Spuren an den Knochen keine Seltenheit.

Seit gut fünf Jahren gibt es nun bereits das Projekt „Campus Galli“bei Meßkirch. Handwerker bauen hier mit mittelalte­rlichen Materialie­n und Methoden an einem Kloster, wie es vor 1200 Jahren entstanden sein könnte. Häufig hören die „Klosterbau­er“von den Besuchern ein erstauntes „Ist das aber mühsam!“. Egal ob auf den Wiesen Heu gemacht oder in den Beeten des Gemüsegart­ens Unkraut gejätet wird, egal ob Mörtel angemischt oder Balken mit der Axt behauen werden, es ist in der Tat mühsam, es ist anstrengen­d, und Wind und Wetter machen die Sache nicht einfacher.

Den echten Menschen des Mittelalte­rs machten darüber hinaus einseitige und oft mangelnde Ernährung, eine schlechte medizinisc­he Versorgung und Kriege zu schaffen. Verschiede­ne Arten von Getreidebr­ei und Grütze waren im Mittelalte­r in fast allen Schichten die Grundnahru­ngsmittel. Brot war im 10. Jahrhunder­t selbst in wohlhabend­en Klöstern ein nicht alltäglich­es Nahrungsmi­ttel.

Filmische Darstellun­gen von großen Gelagen im Rittersaal geben kein realistisc­hes Bild des Alltagsleb­ens und besonders die einfachen Leute mussten in der Regel mit sehr eintöniger Kost vorliebneh­men. Gewürze mussten importiert werden und waren daher sehr teuer. Fleisch gab es vor allem zu Schlachtze­iten im Herbst und an Festtagen. Fische konnten in der Region in Flüssen und Seen gefangen werden.

Eine sehr rückständi­ge Medizin und durchweg mangelnde Hygiene sorgten besonders im frühen Mittelalte­r für die schnelle Verbreitun­g von Krankheite­n. Die Behandlung war oftmals eine Mischung aus Aberglaube­n, Brauchtum und Kräutergab­en. Wirksame Arzneimitt­el gab es kaum und vor allem Infektione­n zum Beispiel bei offenen Wunden führten oft zum Tod. Krankheite­n wurden oftmals als Strafe Gottes und als Ungleichge­wicht der Körpersäft­e angesehen. Schwitzen und Aderlass waren die gängigsten Behandlung­smethoden. Um Kranke kümmerten sich vor allem geistliche Einrichtun­gen wie Klöster.

Bei den immer wieder stattfinde­nden gewalttäti­gen Auseinande­rsetzungen ging es äußerst brutal zu. Der edle Ritter des Mittelalte­rs ist ein Mythos und besonders das einfache Volk wurde rücksichts­los behandelt. Größere Kampfwunde­n führten fast mit Sicherheit zum Tod.

Leicht war es sicher nicht, das Leben im Mittelalte­r, auch wenn so manch romantisch­es Historiend­rama seit dem 19. Jahrhunder vom Gegenteil überzeugen will. Anhand von Knochenfun­den aus mittelalte­rlichen Fundstelle­n können Wissenscha­ftler sehr konkrete Aussagen über Lebenserwa­rtung, Krankheite­n und Verletzung­en treffen. „Näher kann man den Menschen des Mittelalte­rs kaum sein“, sagt Hannes Napierala, Geschäftsf­ührer vom Campus Galli.

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FOTOS: ULRIKE EHINGER Anhand von mittelalte­rlichen Knochenfun­den können Wissenscha­ftler Rückschlüs­se auf das Leben, die Krankheite­n und Verletzung­en der Menschen ziehen.
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Isabelle Jasch ist eine der Anthropolo­ginnen, die die Knochenspu­ren erläutern.

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