Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

„Stellen Sie sich vor, es brennt, und keiner kommt“

Die Sigmaringe­r Feuerwehr klagt über Mitglieder­schwund und wirbt aktiv um Nachwuchs in jedem Alter

- Von Anna-Lena Buchmaier

SIGMARINGE­N - Die Sigmaringe­r Feuerwehr braucht dringend neue Mitglieder. „Der demografis­che Wandel macht sich auch bei uns bemerkbar“, sagt Kommandant Jürgen Bossert. Gab es 2008 noch 218 Mitglieder der Einsatzgru­ppe in allen Abteilunge­n, sind es mittlerwei­le nur noch 158. „Es ist noch nicht so, dass ich deshalb nicht beruhigt schlafen könnte“, sagt Bossert. Aber bei Einsätzen habe er durchaus immer im Hinterkopf, ob genügend Feuerwehrl­eute der Abteilung Stadt zum Einsatz kommen können, oder ob er aus den anderen Abteilunge­n der Teilorte nachordern muss.

Deswegen will die Feuerwehr Sigmaringe­n, die es seit 1860 gibt, Mitglieder auf sich aufmerksam machen. Derzeit wirbt die Feuerwehr auf Facebook und ihrer Homepage mit einem „Schnuppert­icket“für eine Veranstalt­ung für Neueinstei­ger. Am 11. Juli findet ein Infoabend statt, bei dem alle Interessie­rten die Arbeit der Feuerwehr kennenlern­en können. Der Abend soll Lust auf die Grundausbi­ldung machen, die ab Herbst stattfinde­t. „Wir simulieren einen Verkehrsun­fall mit eingeklemm­ten Personen“, erklärt Bossert. Er hofft, durch die Aktion etwa 20 neue Mitglieder zu bekommen. „Der Bedarf ist auf jeden Fall da.“

Bei einem normalen Einsatz brauche es allein schon

24 Feuerwehrl­eute und vier Einsatzfah­rzeuge. Die Abteilung „Stadt“verfügt über knapp

60 Einsatzmit­glieder. „Das ist zu wenig“, so Bossert. Den Grund für den Mitglieder­schwund sieht Bossert in der alternden Gesellscha­ft. „Sigmaringe­n ist eine Beamten- und Schulstadt. Es gibt zu wenig Industrie und daher nicht so viele Arbeitsplä­tze“, sagt Bossert. Entspreche­nd würden viele junge Menschen den Landkreis nach Abi, Ausbildung oder Studium verlassen – und eine Lücke bei der Wehr hinterlass­en. Ein weiterer Grund ist in den Augen Bosserts auch das Ende der Wehrpflich­t – einige seien über den Ersatzdien­st

sagt Kommandant Jürgen Bossert.

so zur Feuerwehr gekommen. Feuerwehrm­ann werden kann jeder zwischen dem 18. und 65. Lebensjahr, die Grundausbi­ldung dürfen schon

17-jährige absolviere­n. Um Feuerwehrm­ann in Sigmaringe­n zu werden, müssen Anwärter hier leben oder arbeiten. Bossert hofft auf große Resonanz und will auch Menschen ansprechen, die hierher pendeln.

„96 Prozent der Feuerwehrl­eute arbeiten ehrenamtli­ch in Deutschlan­d“, erklärt der Kommandant. Sie müssten für Einsätze von ihrem Arbeitgebe­r freigestel­lt werden. „Wir verbringen den Großteil unserer Freizeit hier“, erklärt Bossert, der den kameradsch­aftlichen Geist der Wehr schätzt. Die Bürger seien auf dieses Engagement angewiesen. „Stellen Sie sich vor, es brennt bei Ihnen zu Hause – und keiner kommt“, malt er ein drastische­s Szenario aus. Allein zu 200 Einsätzen würde die Abteilung Stadt jedes Jahr alarmiert. „Bei mehr als der Hälfte aller Einsätze handelt es sich um einen Vollalarm, zu dem alle Mitglieder der Sigmaringe­r Feuerwehr gerufen werden.“

Gesucht werden Mitglieder jeden Alters für die Basis, die „alles werden können, wenn sie wollen“, so der Kommandant, der selbst über Freunde zur Jugendfeue­rwehr kam und diese in Balingen mitgegründ­et hat. „Wir wollen Männer wie Frauen erreichen, die helfen wollen und vielleicht noch Spaß am technische­n Aspekt der Aufgabe haben“, so Bossert. Letzteres sei aber keine Voraussetz­ung für die Teilnahme.

„96 Prozent der Feuerwehrl­eute in Deutschlan­d arbeiten ehrenamtli­ch“,

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FOTO: ANNA-LENA BUCHMAIER Kommandant der Sigmaringe­r Feuerwehr, Jürgen Bossert, wünscht sich mehr Nachwuchs für den Brandschut­z.

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