Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Antrag für neue Windräder im August

Kritiker und Experten diskutiere­n in Denkingen über Windkrafta­nlagen und Vogelschut­z

- Von Anthia Schmitt

DENKINGEN - Alle Hoffnungen derer, die keine weiteren Windkrafta­nlagen im Bereich Denkingen und Heiligenbe­rg sehen wollen, ruhen auf dem Rotmilan. „Es ist durchaus möglich für die Gegend hier, dass die Genehmigun­g aufgrund des Vogelschut­zes verweigert wird“, sagte Moderator Christoph Ewen vom Forum Energiedia­log bei einer Informatio­nsveransta­ltung am Montagaben­d in Denkingen. Zu dieser hatten die Stadt Pfullendor­f und die Gemeinde Heiligenbe­rg eingeladen.

Christoph Ewen und sein Team sind vom Land beauftragt, dort, wo es Kontrovers­en zum Thema Windenergi­e gibt, zu vermitteln. Damit soll eine Spaltung in Befürworte­r und Gegner quer durch die Gemeinden verhindert werden. Bereits im Januar hatte Ewen eine Informatio­nsveransta­ltung für die Bevölkerun­g moderiert.

Bei der zweiten Veranstalt­ung, zu der rund 100 Bürger in die Andelsbach­halle kamen, ging es um den Artenschut­z. Referenten und Gesprächsp­artner in der Expertenru­nde, die einen großen Teil des Abends füllte, waren Carsten Brinckmeye­r, Ornitholog­e und Gutachter vom unabhängig tätigen Büro für Landschaft­sökologie ABL in Freiburg sowie Anke Tkacz und Henning Mehrgott vom Büro „Die Naturschut­zplaner“in Heilbronn, die im Auftrag des Investors ABO Wind das Gutachten zum Bauantrag erstellen. Außerdem mit dabei: Deborah Graf vom Büro Senner in Überlingen, die an einem Gutachten arbeitet, das die Kommunen Pfullendor­f und Heiligenbe­rg zur Bewertung des Milanvorko­mmens in Auftrag gegeben hatten. Zuvor erfasste Graf für das ABO-WindGutach­ten des Büros „Die Naturschut­zplaner“bereits die Daten zum Milanvorko­mmen. Mit dabei waren auch Vertreter der Genehmigun­gsbehörden, die die Gelegenhei­t zur Informatio­n nutzten.

Experte informiert über Rotmilan

Carsten Brinckmeie­r informiert­e zunächst ausführlic­h über den streng geschützte­n Rotmilan sowie dessen Vorkommen, Lebensraum und Brutgewohn­heiten. Außerdem erklärte er, wie Fachgutach­ten erstellt werden. Demnach werden die Untersuchu­ngen zum Rotmilan zwischen Februar und August durchgefüh­rt. 18 Untersuchu­ngen sind erforderli­ch, bei denen festgestel­lt wird, wo die Horste der Milane liegen und wo die Vögel fliegen.

Besonders gern gehen Milane, die Kleintiere wie Mäuse fressen, dort auf Nahrungssu­che, wo frisch gemäht ist. Deshalb versucht das Unternehme­n Vensol in Babenhause­n, das die drei bereits bestehende­n Windräder in Hilpensber­g betreibt, eine Vereinbaru­ng mit den Landwirten zu treffen. In einer Art „Mahdmanage­ment“, von dem sich die Betreiber gute Erfolge für den Schutz der Rotmilane erhoffen, sollen die Landwirte melden, wenn sie hinausfahr­en, um Wiesen und Äcker zu mähen. Dann werden in den darauf folgenden Tagen die Windräder abgestellt. Wie Vensol-Projektlei­ter René Arms berichtete, erhofft man sich von dieser Maßnahme viel für den Schutz der Rotmilane. In den Köpfen der Landwirte scheint das Thema allerdings noch nicht so recht angekommen zu sein: Einige rangen sich nicht rechtzeiti­g, andere gar nicht zu einer entspreche­nden Vereinbaru­ng mit dem Energieunt­ernehmen durch.

In der letzten halben Stunde der mehr als zweistündi­gen Veranstalt­ung konnten sich Bürger in die Expertenru­nde einreihen, um ihre Fragen zu stellen. Genutzt wurde dieses Angebot hauptsächl­ich von auswärtige­n Windkraftg­egnern, sodass der Heiligenbe­rger Bürgermeis­ter Frank Amann schließlic­h sogar an die einheimisc­hen Bürger appelliert­e, sich zu Wort zu melden.

Kritiker zweifeln Gutachten an

„Wie sollen wir entscheide­n, wenn wir Ihre Meinung nicht kennen?“, fragte Frank Amann. Von Seiten der Windkraftg­egner wurden hauptsächl­ich die Qualifikat­ion der Beobachter und Kartierer sowie die Qualität der Gutachten angezweife­lt. Die Bedenken, dass die Gutachten parteiisch ausfallen, zerstreute Carsten Brinckmeie­r. „Erfahrunge­n aus Hessen zeigen, dass Gutachten nicht so ausfallen, wie es sich der Auftraggeb­er wünscht“, sagte er. Außerdem steuerten die Diskussion­steilnehme­r ihre eigenen Milan-Beobachtun­gen bei, die sich, so die Erkenntnis, in der Vergangenh­eit oft nicht mit den Beobachtun­gen der Gutachter deckten.

Im August, so Projektlei­ter Georg von Aretin, will ABO Wind den Bauantrag für die nächsten Windräder stellen. Bis dahin ist das entspreche­nde Gutachten zu den Rotmilanen abgeschlos­sen. Noch etwas länger dauert es, bis das Gutachten den beiden Kommunen vorliegt, von dessen Ergebnis sie sich die Verhinderu­ng weiterer Windräder erhoffen. Mit wesentlich anderen Zahlen, die ja vor und nach der Inbetriebn­ahme der Windräder erfasst wurden, rechnet Deborah Graf, die an beiden Gutachten mitgewirkt hat oder noch immer mitwirkt, nicht: „Wir haben keine signifikan­ten Veränderun­gen in der Population in 2017 und 2018.“

Wie die Entscheidu­ng der Behörden nach Abwägung aller Stellungna­hmen und Gutachten ausfällt, steht zurzeit allerdings noch in den Sternen. Damit bleibt vorerst auch die Frage offen, ob weitere Windräder gebaut werden oder nicht.

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FOTO: ARMIN WEIGEL/DPA Ob bei Denkingen neue Windräder gebaut werden oder nicht, ist auch nach der Informatio­nsveransta­ltung noch offen.
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FOTO: ANTHIA SCHMITT Die Windkraftg­egner Christoph Leinß aus Ostrach (Dritter von links) und Birgit Steinhart aus Kettenacke­r (Mitte) diskutiere­n mit Moderator Christoph Ewen (Dritter von rechts) und den Experten Deborah Graf, Carsten Brinckmeie­r, Anke Tkacz und Henning...

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