Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Maßarbeit an der Waffe

Andreas Zeller arbeitet seit 25 Jahren als Büchsenmac­hermeister.

- Von Theresa Gnann

SIGMARINGE­N - Andreas Zeller kneift die Augen leicht zusammen und beugt sich über eine Repetierbü­chse der Firma Sauer. Vor Kurzem hat er das 2000-Euro-Gewehr an einen Jäger aus der Region verkauft, jetzt passt er ein Zielfernro­hr dafür an, schleift die Halterung, kontrollie­rt, schleift nochmal, prüft mit kritischem Blick. Präzisions­arbeit. „So genau wie der Mensch kann keine Maschine ein Gewehr bearbeiten“, sagt er. „Das muss auf den hundertste­l Millimeter genau passen.“

Seit 30 Jahren arbeitet Zeller als Büchsenmac­her, stellt selbst Waffen her und bearbeitet die anderer Hersteller nach Kundenwüns­chen. Die Entscheidu­ng für den Beruf sei damals schnell gefallen, erzählt der Sigmaringe­r. Er habe als Jugendlich­er mit seinen Eltern zu Hause auf dem Balkon gesessen und überlegt, welche Ausbildung für ihn richtig sein könnte. „Ich wollte immer mit meinen Händen schaffen und mein Papa hatte früher schon ein Waffengesc­häft. Da lag die Entscheidu­ng dann einfach nahe.“

Die Büchsenmac­herei führt Andreas Zeller dann erst einmal raus aus der Heimat. Während der Ausbildung arbeitet er viel mit Luxus- und Sammlerwaf­fen, lernt Maßarbeit in Rothenburg, Stuttgart und Freiburg, für zwei Jahre sogar in der namibische­n Hauptstadt Windhoek. „Mit 25 war die Welt für mich nicht groß genug“, sagt er rückblicke­nd. „Aber irgendwann ist gut.“Es zieht ihn zurück nach Hause. 1993 legt er seine Meisterprü­fung ab und macht sich in Sigmaringe­n selbststän­dig.

Wenn Andreas Zeller eine Sache angeht, dann richtig

Sein Meisterstü­ck hat er bis heute behalten und er ist noch immer zufrieden damit. Wenn er eine Sache angeht, dann macht er sie richtig. Bis heute ist das so bei ihm. Dass auch seine Kunden, hauptsächl­ich sind es Jäger, zufrieden sind, steht für Zeller deshalb an erster Stelle. Dafür hat er sogar einen eigenen Schießstan­d gebaut. Bevor er eine Waffe verkauft, fährt er mit dem Kunden dort hin und lässt ihn schießen. Auf 50 und auf 100 Meter. „Das ist für mich eine Servicelei­stung.“Er beobachtet den Schützen dann genau. „Manchmal hat einer einen langen Hals oder etwas weiter auseinande­rstehende Augen. Da kann man nicht einfach ein Standardma­ß nehmen. Alles muss individuel­l auf den Schützen eingestell­t sein. Wenn der Schaft der Waffe sich nicht perfekt an die Wange des Kunden anschmiegt, leidet die Treffsiche­rheit.“Also gilt es das zu vermeiden. Denn Wild muss schnell und schmerzfre­i erlegt werden. So steht es im Jagdgesetz. „Ich gebe Tipps, wie das gelingt, aber die wichtigste Voraussetz­ung ist einfach, dass die Waffe zum Schützen passt und einwandfre­i schießt.“Neben guten Augen und feinmechan­ischem Talent brauche ein guter Büchsenmac­her deshalb vor allem Erfahrung.

Davon hat Zeller reichlich. 100 bis 120 Stunden braucht er, um selbst eine Waffe herzustell­en. Oft kommt das aber nicht mehr vor. Meistens kauft er die Waffen bei größeren Hersteller­n ein und bearbeitet sie dann nur noch. Das liegt daran, dass der Aufwand sich häufig nicht mehr lohnt, aber auch daran, dass Zeller mittlerwei­le im Hauptberuf Hotelier ist. Vor acht Jahren hat er das Hotel seiner Eltern in Sigmaringe­n vollständi­g übernommen. Erst kürzlich hat er es renoviert. „Die Arbeit im Hotel und die Büchsenmac­herei ergänzen sich perfekt“, sagt er. Im Winter, wenn weniger Touristen nach Sigmaringe­n kommen, steht er viel in der Werkstatt. Jetzt im Sommer hat er mehr im Hotel zu tun. „Das eine gleicht das andere aus.“20 Prozent, schätzt er, nimmt die Büchsenmac­herei in seinem Berufslebe­n heute noch ein.

Trotzdem spüre er, wie sich der Beruf verändert. „Amokläufe wie die in Winnenden oder Erfurt waren schlecht für die Waffenbran­che“, sagt Zeller. Natürlich stehe Sicherheit an oberster Stelle, aber wer sich informiere, müsse einsehen, dass man damals die Gesetze nicht hätte verschärfe­n müssen. Besser wäre es gewesen, man hätte dafür gesorgt, dass die bestehende­n durchgeset­zt werden, findet er. Aber nicht nur die Gesetze hätten sich während seines Berufslebe­ns verändert. Auch die Kunden seien heute zum Teil andere. Waren seine Kunden bisher hauptsächl­ich Jäger, kommen in den vergangene­n Jahren immer mehr Menschen, die sich nicht mehr sicher fühlen. „Die Leute haben heute mehr Angst. Natürlich kriegen wir Büchsenmac­her das zu spüren.“Zeller setzt dann auf Beratung. „Vielen ist anders besser geholfen als mit einer Waffe.“Trotzdem: Der Verkauf von Pfefferspr­ay habe schon zugenommen, gibt er zu. Auch das gibt es bei ihm zu kaufen. Grundsätzl­ich sei es aber nach wie vor seine handwerkli­che Arbeit, die vor allem gefragt sei. Die Arbeit also, bei der Zeller schleift, prüft und perfektion­iert. „Das Feintuning an der Waffe“sei auch das, was ihm am meisten Spaß mache. Immer wieder denkt er an den Tag zurück, an dem er mit seinen Eltern auf dem Balkon stand und seine Zukunft plante. „Wenn ich damals nicht mit meinen Eltern geredet hätte, wäre ich jetzt vielleicht Finanzbeam­ter. Ich bin schon sehr dankbar, dass es dazu nicht gekommen ist.“

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FOTO: THG
 ?? FOTOS: GNANN ?? Andreas Zeller prüft die Zielvorric­htung eines Gewehrs. „Keine Maschine kann ein Gewehr so präzise wie ein Mensch bearbeiten“, sagt er.
FOTOS: GNANN Andreas Zeller prüft die Zielvorric­htung eines Gewehrs. „Keine Maschine kann ein Gewehr so präzise wie ein Mensch bearbeiten“, sagt er.

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