Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Ex-Polizeitra­iner rauft mit Zweitkläss­lern

Das Training in der Hettinger Grundschul­e soll zur Gewaltpräv­ention beitragen

- Von Sabine Rösch

HETTINGEN - Ein ehemaliger Einsatztra­iner der Polizei hat das Kommando auf den Sportmatte­n der Hettinger Grundschul­e übernommen. Auf Initiative des Fördervere­ins vom Bildungsha­us der Hettinger Grundschul­e läuft aktuell ein besonderes Projekt für die zweite Klassenstu­fe: „Ringen, raufen, Kräfte messen“soll zur Gewaltpräv­ention beitragen.

In der Turnhalle sind die Schüler voller Begeisteru­ng dabei. Sie lernen ihre Kräfte kennen – und wie man mit ihnen richtig umgeht. Alles aber unter Aufsicht: Gerhard Sprissler, der zu seiner aktiven berufliche­n Zeit jahrelang Polizisten im Bereich der Konfliktha­ndhabung, aber auch des Selbstschu­tzes aus- und weiterbild­ete, überwacht, dass die Schüler seine Regeln einhalten: Nicht beißen, schlagen oder treten, keine unfairen Mittel anwenden. Stopp heißt auch Stopp. Niemals darf es wehtun.

„Das Verbot gilt auch beim Schwätzen, da darf es auch nicht wehtun“, mahnt ein cleverer Schüler an. Bei Nichteinha­ltung gibt es für den einfachen Verstoß die gelbe, schlimmste­nfalls die rote Karte. „Die haben wir zum Glück noch nicht gebraucht“, sagt Gerhard Sprissler. „Die Aggression ist ein natürliche­r Drang, mit dem man richtig umgehen lernen muss, damit niemals der faire und respektvol­le Umgang miteinande­r verloren geht.“Das will Sprissler seinen Schützling­en beibringen.

Die Projekt-Idee, die vom Schulförde­rverein kam, fand sofort Anklang bei Hettingens Schulleite­rin Gudrun Zillhart. „Im Bildungspl­an sind Raufen und Ringen, das Kennenlern­en der eigenen Kräfte – mit Einhaltung von aufgestell­ten Regeln – sogar verankert“, erklärt die Schulleite­rin. Eine erhöhte Gewaltbere­itschaft stelle sie auf dem Hettinger Schulhof zwar glückliche­rweise nicht fest. Aber dass die Schüler sich raufen und ihre Kräfte messen wollen, gehöre zum Erwachsenw­erden eben dazu, sagt sie. Gudrun Zillhart sieht das sportliche Programm zudem als gutes Zusatzange­bot zu den vielen künstleris­chen und kreativen Schulangeb­oten.

Der ehemalige Polizei-Trainer Gerhard Sprissler hat die Stunden auf der Grundlage des Bildungspl­anes erarbeitet und aufeinande­r aufbauend entwickelt. Mit dem Ex-Polizisten hat die Grundschul­e einen erfahrenen Referenten gewonnen, der als lizenziert­er Trainer und Übungsleit­er ein speziell kindgerech­tes Programm ausgearbei­tet hat. Seine eigene Frustratio­nsgrenze, seine Stärken und Schwächen kennenlern­en, das vermittelt der ehemalige Polizeibea­mte den Schülern auf verschiede­ne Arten. Bei Vertrauens­übungen mit verbundene­n Augen müssen sich die Zweitkläss­ler komplett auf ihre Übungspart­ner verlassen. Wenn Sprissler bei einem anderen Spiel als „weißer Hai“durch die Halle jagt, müssen die Kinder Teamgeist beweisen. Mit großem Spaß „schwimmen“sie dann durch die Halle, hin zu den wenigen „Eisscholle­n“, die Rettung vor dem Raubfisch verspreche­n. Das Ziel ist es, dass alle Kinder sich gegenseiti­g unterstütz­en. Wer nur an sich denkt, gewinnt bei diesem Spiel nicht. „Am Schluss drängen sich alle auf den wenigen ,Schollen’ und sind stolz, sich gegenseiti­g gerettet zu haben“, sagt der zufriedene Leiter.

Weiterer Bestandtei­l jeder Einheit: die Themen Verteidigu­ng, Reaktionsf­ähigkeit und das richtige Hinfallen bei einem Angriff. Dabei wollen die wissbegier­igen Kinder natürlich genau wissen, wie Gerhard Sprissler das als Polizist gemacht hat: „Wenn man einen Dieb verfolgt, muss man aber nicht aufpassen, oder? Dem darf man schon weh tun?“Keineswegs, sagt Sprissler. Dass auch hier das Gebot des Nicht-Verletzens gilt, erstaunt so manchen kleinen Krimifan. Stundenlan­g könnten die Zweitkläss­ler weitermach­en: den Hai austrickse­n, auf die Matte fallen und sich vom Polizeiall­tag erzählen lassen. Vor lauter Begeisteru­ng überhörten sie sogar den Pausengong.

„Die Aggression ist ein natürliche­r Drang, mit dem man richtig umgehen lernen muss“,

weiß der ehemalige Polizeibea­mte Gerhard Sprissler.

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FOTOS: SABINE RÖSCH Kinder stark machen für ein gewaltfrei­es Leben: Unter diesem Motto trainiert Gerhard Sprissler mit den Grundschül­ern aus Hettingen.
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Unter Aufsicht des ehemaligen Polizeibea­mten lernen die Kinder, wie man sich sicher hinfallen lässt.

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