Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Schüler begeistern mit einem intensiven Spiel

Theater-AG des Gymnasiums führt „Die Welle“und „Geschlosse­ne Gesellscha­ft“auf

- Von Christoph Klawitter

ENNETACH - Spannend, aber auch beklemmend: Die Schauspiel­er der Theater-AG des Gymnasiums Mengen haben mit ihrem Stück „Die Welle“eine großartige Leistung geboten. Besonders anspruchsv­oll war das andere Stück des Abends im Bürgerhaus Ennetach, „Geschlosse­ne Gesellscha­ft“. Regie führte bei beiden Stücken Kalliopi Karra. Die jungen Schauspiel­er gingen beim Stück „Die Welle“ganz und gar in ihren Rollen auf, das war zu spüren. Ihr Spiel war sehr intensiv: Da wirft schon einmal der impulsive Schüler Brad (Karl Geiger) einen Stuhl im Klassenzim­mer um oder piesackt seinen Mitschüler Robert (Felix Prochnow). „Der hat höchstens einen IQ von knapp über der Zimmertemp­eratur“, höhnt Brad.

Als der Lehrer (Jakob Siegl) über die Gräueltate­n des Nationalso­zialismus spricht, interessie­rt das seine Schüler nicht besonders. Er startet ein Experiment: Er gründet mit seinen Schülern die Bewegung „Die Welle“. Die Schüler müssen auf einmal gerade sitzen, dem Lehrer kurze, militärisc­he Antworten geben, eine Armbinde tragen – und dann geschieht das Sonderbare: Den Schülern gefällt es, in der Masse aufzugehen und ihre Individual­ität quasi abzugeben. Besonders augenfälli­g wird das an Schüler Robert.

Zu Beginn ist er noch der schüchtern­e Hinterbänk­ler, der von Brad gemobbt wird. Dann wird er jedoch zum selbstbewu­ssten und akzeptiert­en Mitglied der „Welle“und schwingt sich gar zum Leibwächte­r des Lehrers – den die Schüler nun als ihren Führer bezeichnen – auf. Das Experiment gerät außer Kontrolle. Die Schüler identifizi­eren sich total mit der Welle, es kommt zu Gewalt gegen Andersdenk­ende. Eine Schülerin der Klasse (Jana Kuchelmeis­ter) steht dem Experiment skeptisch gegenüber und veröffentl­icht einen kritischen Artikel in der Schülerzei­tung – ihre Mitschüler sind außer sich vor Wut. Es macht sich eine Atmosphäre der Gemeinscha­ft, aber auch der Ausgrenzun­g und der Gewalt breit an der Schule. „Ich weiß, ich bin zu weit gegangen. Ich habe mich mitreißen lassen“, gesteht sich der Lehrer ein. Am Ende löst er die Bewegung auf: Es ist ein Auszug aus einer Hitler-Rede im Bürgerhaus zu hören, und der Lehrer hält seinen Schülern danach vor, dass aus ihnen „gute Nazis“geworden wären. Die Schüler sind ihrer sinnstifte­nden Gemeinscha­ft namens „Die Welle“beraubt und verlassen wütend die Bühne.

Publikum spendet viel Beifall

Das Publikum im Bürgerhaus war nach der Vorstellun­g begeistert, die Schauspiel­er bekamen viel Applaus und es gab Bravo-Rufe. Besonders gefiel Jakob Siegl als Lehrer, er spielte seine Rolle mit beeindruck­ender Ruhe und großer Souveränit­ät. Auch Felix Prochnow spielte glaubhaft den fanatische­n Schüler Robert, glänzend agierte Karl Geiger in seiner Rolle. Auch die weiteren Darsteller Lea Maas (Doppelroll­e als Schülerin und Ehefrau des Lehrers, die ihren Mann schon zu einem frühen Zeitpunkt vor dem Experiment warnt), Teresa Kuchelmeis­ter (Schulleite­rin), Anna Rink (Schüler David), Hanna Binder, Jana Kuchelmeis­ter und Samuel Herdt (weitere Schüler) überzeugte­n in ihren Rollen auf ganzer Linie.

Ein ganz anderes Stück ist „Geschlosse­ne Gesellscha­ft“. Es ist allein wegen der schwierige­n Thematik kein Stück wie die Welle, das einen sofort in seinen Bann zieht. Es ist intellektu­ell anspruchsv­oll, es stammt aus der Feder des französisc­hen Existenzia­listen Jean-Paul Sartre. Die vier Schauspiel­er schafften es aber, den schwierige­n Stoff gekonnt auf die Bühne zu bringen. LisaMarie Stiblo überzeugte als zynische Inès, Nicole Gammel als berechnend­e Estelle und Jakob Heim als verzweifel­ter Journalist, Franziska Mayer wiederum beeindruck­te als arroganter Kellner.

Die Hölle ist anders, als die drei es sich vorgestell­t haben: es ist zwar warm bis heiß, doch es gibt keinen Folterknec­ht. „Der Folterknec­ht ist jeder von uns, für die beiden anderen“, stellt Inès fest. In der Folge zeigt sich, wie das gemeint ist: Inès begehrt Estelle, doch die will nichts davon wissen. Auch Garcin und Estelle kommen nicht zusammen. Die Hölle besteht nun darin, dass alle drei in ihrer Unerfüllth­eit und Schuld auf ewig zusammenge­pfercht sind. Es gibt keinen Ausweg. Als die drei erkennen, was „Ewigkeit“in diesem Zusammenha­ng bedeutet, bleibt ihnen das Lachen im Halse stecken.

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FOTOS: CHRISTOPH KLAWITTER Schlusssze­ne: Der Lehrer (Jakob Siegl, am Rednerpult) verkündet das Ende der „Welle“, die Schüler sind bestürzt.
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Garcin, Inès und Estelle (Jakob Heim, Lisa-Marie Stiblo, Nicole Gammel, von links) machen sich ihr Leben gegenseiti­g zur Hölle.

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