Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Mit dem Smartphone die Straßenschäden erfassen
Gemeinde Hohentengen schließt Vertrag mit Start-up-Unternehmen Vialytics ab
HOHENTENGEN – Eine Smartphone-Kamera an der Windschutzscheibe, die den Straßenzustand erfasst: Ein innovatives Produkt hat das Start-up-Unternehmen Vialytics in Kooperation mit dem Gemeindetag Baden-Württemberg und Kommunen entwickelt. Der Gemeinderat Hohentengen hat beschlossen, mit dem Unternehmen einen Dreijahresvertrag abzuschließen. Die Entscheidung steht unter dem Vorbehalt, dass das Land das Projekt finanziell fördert.
„Für die Kommunen ist es wichtig, einen Überblick über den Straßenzustand zu haben“, sagte Patrick Glaser von der Firma Vialytics in der Sitzung. Herkömmliche Ingenieurbüros würden Straßen im
Auftrag einer Kommune eben alle fünf bis sieben Jahre untersuchen. „Wir wollen ein System liefern, das dem Bauamt nicht nur alle fünf Jahre Daten liefert“, sagte Glaser. Dazu brauche man keine aufwendigen Messfahrzeuge, sondern nur ein Smartphone mit Kamera und der von Vialytics entwickelten App.
Das Vorgehen ist folgendermaßen: An einem gemeindeeigenen Fahrzeug wird ein Smartphone mit Kamera an der Windschutzscheibe angebracht. Der Bewegungssensor im Smartphone misst die Erschütterungen während der Fahrt, die Kamera nimmt Bilder auf, der GPSEmpfänger meldet den Standort. Es werden dann mit von Vialytics entwickelten Algorithmen Risse, Schlaglöcher und Unebenheiten erfasst und analysiert. Das Besondere: Mit dem Programm sollen nicht nur grobe Risse, sondern schon feine Risse aufgespürt werden – so können Kommunen Reparaturen vornehmen, wenn der Schaden an der Straße noch nicht groß ist, das Schlagloch ist bestenfalls dann noch nicht entstanden. „Wenn ein Schlagloch entsteht, wird es richtig teuer“, bemerkte Patrick Glaser.
Monika Rauch, Assistentin des Ortsbaumeisters, hat sich mit dem Produkt beschäftigt. „Ich find’s wirklich interessant“, sagte sie. Bürgermeister Peter Rainer betonte, dass die großen Schäden in den Straßen im Gemeindegebiet der Verwaltung auch ohne das Programm bekannt seien, es gehe vor allem darum, sehr feine Schäden im frühen Zustand zu erkennen. „Es ist auf jeden Fall eine interessante Sache“, fand Gemeinderat Albert Wetzel (CDU). Er wies aber auch darauf hin, dass die Gemeinde erst einmal die bereits bekannten großen Schäden abarbeiten müsse, bevor man daran denke, auch die durch das Programm offenbar werdenden kleinen Schäden abzuarbeiten.
Ähnlich skeptisch war Peter Löffler (CDU). „Wir haben so viele Straßen, bei denen wir sehen, was kaputt ist. Man kommt den Schäden gar nicht hinterher“, verwies auch er auf die bereits bekannten größeren Straßenschäden. Marion Küchmeister (Freie Wähler) bewertete das Vorhaben positiv. „Ich denke, das ist eine Sache, die man über Jahre sehen muss“, sagte sie. Auch Ernst Mayer (Freie Wähler) plädierte dafür, den Vertrag mit Vialytics abzuschließen.
Das Projekt wird mit 50 Prozent der Kosten durch ein Förderprogramm des Landes unterstützt. Die jährlichen Bruttokosten betragen für die Gemeinde 8.300 Euro. Da die Hälfte gefördert wird, betragen die jährlichen Kosten für die Gemeinde letztlich 4.150 Euro. Bei drei Gegenstimmen und drei Enthaltungen entschied der Gemeinderat mehrheitlich, einen Dreijahresvertrag mit Vialytics abzuschließen, sofern die Förderung vom Land auch tatsächlich gewährt wird.