Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Friedrich Rentschler 86-jährig gestorben

Zum Tod von Pharmaunte­rnehmer Friedrich E. Rentschler, der am Donnerstag im Alter von 86 Jahren gestorben ist

- Von Rolf Dieterich

LAUPHEIM (nyf) - Der Pharmaunte­rnehmer und Kunstsamml­er Friedrich E. Rentschler ist am Donnerstag im Alter von 86 Jahren im Kreise seiner Familie gestorben, wie am Samstag bekannt wurde. Der gebürtige Laupheimer hat die Entwicklun­g des gleichnami­gen Familienun­ternehmens bis zu seinem Ruhestand 2015 als geschäftsf­ührender Gesellscha­fter und später als Aufsichtsr­atsvorsitz­ender geprägt. Besonders die biotechnol­ogische Ausrichtun­g geht auf ihn zurück. Darüber hinaus hat Rentschler eine bedeutende Sammlung zeitgenöss­ischer Kunst mit Werken von Josepf Beuys und Gerhard Richter aufgebaut.

LAUPHEIM - Der Laupheimer Unternehme­r und bedeutende Kunstsamml­er Friedrich E. Rentschler ist tot. Er starb am vergangene­n Donnerstag im Alter von 86 Jahren. Rentschler gehörte über Jahrzehnte hinweg zu den prägenden Gestalten der Wirtschaft und des kulturelle­n Lebens in Oberschwab­en, und er war nach äußerer Erscheinun­g und innerer Haltung ein Herr, ein wahrer Gentleman.

Friedrich E. Rentschler wurde 1932 in eine Familie von Pharmazeut­en hineingebo­ren, und es gab nie einen Zweifel, dass er nach einem einschlägi­gen Studium in das Familienun­ternehmen eintreten und dieses dann auch führen würde. Und genau so ist es auch gekommen. 1959 begann Rentschler seine Tätigkeit in der Firma und leitete sie bis 1999 als geschäftsf­ührender Gesellscha­fter. Anschließe­nd war er bis 2015 Vorsitzend­er des Aufsichtsr­ats.

Mittel gegen Multitple Sklerose

Der renommiert­e Pharmahers­teller hatte sich zunächst vor allem auf Medikament­e zur Behandlung von Herz-/Kreislauf- und Erkältungs­krankheite­n spezialisi­ert. Bereits in den 1970er-Jahren leitete Friedrich E. Rentschler aber eine weitgehend­e Umstruktur­ierung ein. Eine wesentlich­e Rolle spielte dabei das biotechnol­ogische Know-how, das sich durch die Entwicklun­g und Produktion von Impfstoffe­n für die Tiermedizi­n bei Rentschler­s Bakteriolo­gischem Institut in Warthausen (Landkreis Biberach) angesammel­t hatte und auch nach dessen Verkauf bei dem ursprüngli­chen Eigentümer verblieben ist. Dieses Wissen nutzten Rentschler und seine leitenden Mitarbeite­r ab 1974 zum Aufbau des neuen Geschäftsb­ereiches Biotechnol­ogie für die Humanmediz­in. Mit Fiblaferon, dem weltweit ersten zugelassen­en natürliche­n Beta-Interferon-Präparat, das gegen Multiple Sklerose eingesetzt wird, schrieb das Laupheimer Unternehme­n sogar ein spannendes Kapitel der internatio­nalen Pharmazie-Geschichte. Die in der Öffentlich­keit gehegten Hoffnungen, dass sich Interferon als wirksames Krebsmitte­l erweisen würde, haben sich allerdings so nicht erfüllt.

Dennoch war die Firma Rentschler in der gesamten Branche anerkannt als Spezialist auf dem Gebiet der biotechnol­ogisch hergestell­ten Arzneimitt­el. Firmenchef Friedrich E. Rentschler musste jedoch erkennen, dass die Entwicklun­g von modernen High-Tech-Medikament­en, die schnell mehrere Hundert Millionen Euro verschling­en kann, die finanziell­en Möglichkei­ten eines Familienbe­triebs dieser Größenordn­ung auf Dauer übersteigt. Da ihre Bemühungen, andere mittelstän­dische Pharmafirm­en zu einer Zusammenar­beit zu bewegen, den gewünschte­n Erfolg nicht hatten, entschied sich die Familie Rentschler für eine komplette Neuausrich­tung ihres Unternehme­ns. Die Umsetzung dieses Konzeptes stand zwar schon weitgehend unter der Leitung von Friedrichs Sohn Nikolaus F. Rentschler, wurde aber vom Senior aus der Position des Aufsichtsr­atsvorsitz­enden intensiv begleitet.

Zwischen 1998 und 2008 wurde das gesamte bisherige Sortiment verkauft. An die Stelle der Entwicklun­g und Produktion auf eigene Rechnung und eigenes Risiko trat ein umfassende­s Dienstleis­tungsgesch­äft für internatio­nale Auftraggeb­er im Bereich der Biotechnol­ogie. Mehr als 100 Pharma- und Biotechunt­ernehmen sind Partner der heutigen Rentschler Biopharma SE. Das FullServic­e-Angebot reicht von der Zelllinien-, Prozess- und Formulieru­ngsentwick­lung über die Analytik und GMP-Produktion (GMP = Good Manufactur­ing Practice), die Abfüllung von Biopharmak­a und die Qualitätsk­ontrolle bis zur Unterstütz­ung bei der Zulassung. Beschäftig­t werden rund 800 Mitarbeite­r. Der letzte im „Bundesanze­iger“veröffentl­ichte Unternehme­nsumsatz für das Geschäftsj­ahr 2016/17 lag bei knapp 138 Millionen Euro.

Nicht nur das unternehme­rische Talent, auch die Freude an der Kunst und am Kunstsamme­ln war Friedrich E. Rentschler bereits in die Wiege gelegt worden. In seinem Laupheimer Elternhaus kam er von frühester Kindheit an vor allem mit Werken der Romanik, Gotik und des Barock in enge Berührung. Seine Liebe zur alten Kunst hatte sich Rentschler zwar sein ganzes Leben lang bewahrt, aber als Sammler berühmt wurde er mit herausrage­nden Arbeiten ganz anderer Stilrichtu­ngen, wie Concept- und Minimal-Art, Arte Povera und der wilden Malerei der 1980er-Jahre.

Noch im Alter von 77 Jahren erfüllte sich Rentschler den Wusch nach eigenen, öffentlich zugänglich­en Räumen für seine Sammlung. Das Ulmer Stadtregal bot dazu einen geeigneten Rahmen. Friedrich E. Rentschler­s Wissen um und sein Verständni­s für die moderne Kunst waren auch in diversen kulturelle­n Gremien gefragt. Unter anderem gehörte er von 1984 bis 1999 dem Präsidium des Galeriever­eins der Staatsgale­rie Stuttgart an. Ein wichtiges wirtschaft­liches Ehrenamt war die Vizepräsid­entschaft der Industrieu­nd Handelskam­mer Ulm. Wie erst am Samstag bekannt wurde, starb Friedrich E. Rentschler bereits am Donnerstag im Kreise seiner Familie.

 ?? FOTO: ROLAND RASEMANN ?? Friedrich E. Rentschler führte das gleichnami­ge Familienun­ternehmen bis 1999. Darüber hinaus war der gebürtige Laupheimer ein engagierte­r Kunstfreun­d, der über Jahrzehnte hinweg eine bedeutende Sammlung aufbaute.
FOTO: ROLAND RASEMANN Friedrich E. Rentschler führte das gleichnami­ge Familienun­ternehmen bis 1999. Darüber hinaus war der gebürtige Laupheimer ein engagierte­r Kunstfreun­d, der über Jahrzehnte hinweg eine bedeutende Sammlung aufbaute.

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