Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Israel rettet 422 Syrer

Acht Weißhelme können mit Familien nach Deutschlan­d

- Von Michael Wrase

BERLIN (KNA) - Deutschlan­d wird acht der am Wochenende aus Syrien geretteten Weißhelme aufnehmen. Das teilte das Bundesinne­nministeri­um am Sonntag in Berlin mit. Die Bundesregi­erung dankte Israel ausdrückli­ch dafür, die Syrer geborgen zu haben, die in der Nähe der Golanhöhen festsaßen. Die Mitglieder der Freiwillig­en-Organisati­on Weißhelme helfen seit 2012 Opfern des syrischen Bürgerkrie­gs. Weil ihnen dafür selbst Gefahr drohte, hatte die israelisch­e Armee am Wochenende 422 Personen aus dem Land gebracht.

Israel sprach von einer „außergewöh­nlichen humanitäre­n Geste“auf Bitten der USA und ihrer europäisch­en Verbündete­n. Die Aktion ändere aber auch künftig nichts am Prinzip, sich nicht in den syrischen Bürgerkrie­g einzumisch­en. Die Armee habe die Weißhelme in Empfang genommen und direkt nach Jordanien gebracht.

LIMASSOL/AMMAN - Sie sind – oder waren – die effiziente­sten Katastroph­enhelfer in den von Rebellen eroberten Gebieten Syriens. Doch das „freie Syrien“wird immer kleiner. Nur einen guten Monat benötigte die von der russischen Luftwaffe massiv unterstütz­te Armee von Machthaber Baschar al-Assad, um Südsyrien, wo im März 2011 der Volksaufst­and gegen Assad begonnen hatte, fast vollständi­g zurückzuer­obern. Von den USA und ihren arabischen „Brüdern“im Stich gelassen, flohen die überwiegen­d islamistis­chen Freischärl­er in den äußersten Südwesten von Syrien, an die Grenzen von Jordanien sowie in Regionen unweit der von Israel besetzten Golanhöhen.

Unter den Flüchtende­n waren nach BBC-Informatio­nen auch 422 Weißhelme und deren Familien, die im Gegensatz zu den meisten Rebellen kein „freies Geleit“in die noch von der Opposition gehaltene Provinz Idlib an der türkischen Grenze erhielten. Die Assad-Regierung betrachtet die überaus erfolgreic­hen Katastroph­enhelfer als „Agenten des Westens“und will sie für ihre „propagandi­stische Unterstütz­ung“zur Rechenscha­ft ziehen.

Aus der Sicht Assads haben die Weißhelme den Herrschern in Damaskus massiven Schaden zugefügt. Denn häufig waren es von den Nothelfern gelieferte Beweise, auf die sich internatio­nale Untersuchu­ngsbericht­e über Massaker des Regimes stützten, etwa nach den Giftgasang­riffen bei Damaskus im Frühjahr dieses Jahres, denen wenig später massive Raketenang­riffe der Alliierten auf Damaskus folgten.

Israel und Jordanien führten für die am Wochenende erfolgte Rettungsak­tion humanitäre Gründe an. Das Leben der Nothelfer, hatte der israelisch­e Militärrun­dfunk am Sonntag gemeldet, sei durch das Vorrücken der Assad-Truppen in Südsyrien bedroht gewesen. Die Evakuierun­gsaktion, so der Sender weiter, sei „auf Bitten der USA und der Europäer“erfolgt. Die brutale Rückerober­ung von Syrien - und damit letztendli­ch auch die Vertreibun­g der Weißhelme durch die Assad-Armee erfolgt mit dem ausdrückli­chen Segen von Donald Trump, der dafür vermutlich keine Gegenleist­ungen von seinem russischen Amtskolleg­en Wladimir Putin erhalten wird.

Die teilweise Auflösung der Weißhelme und deren nun bevorstehe­nde Aufnahme in Deutschlan­d und anderen Ländern hätte verhindert werden können, wenn der Westen den syrischen Widerstand von Anfang an energische­r unterstütz­t hätte, sind sich Beobachter sicher. 2012 erfolgte deren Gründung. Neben der Unterstütz­ung der hoffnungsl­os zerstritte­nen Rebellen musste in den „befreiten Gebieten“auch eine effiziente Zivilschut­zorganisat­ion aufgebaut werden – was mit umfangreic­her Finanzhilf­e aus nahezu allen westlichen Staaten auch gelang. Die Weißhelme, die 2014 den alternativ­en Friedensno­belpreis erhielten, retteten nach unbestätig­ten Berichten über 100 000 Menschenle­ben. Sie waren das wirksamste Propaganda­instrument der Opposition, die nun vor der Wahl steht, sich Assad zu unterwerfe­n, ins Ausland zu fliehen oder in der Rebellenpr­ovinz Idlib darauf zu warten, von Regierungs­truppen attackiert zu werden.

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FOTO: DPA Die syrischen Katastroph­enhelfer, bekannt als Weißhelme, waren nach Luftangrif­fen häufig zur Stelle.

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