Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Bruderduell in Berlin bahnt sich an
Christoph Harting siegt bei DM, Robert Dritter – Schwanitz nach Unfall ins Krankenhaus
NÜRNBERG (dpa) – Robert Harting will sich nicht durch die Hintertür in sein Berliner Wohnzimmer schleichen. „Eine Lex Harting, einen Freifahrtschein, möchte ich nicht, da habe ich keinen Bock drauf“, sagte der Diskuswurf-Olympiasieger am Sonntag zu seiner Hängepartie um die EMNominierung. Bei den deutschen Leichtathletik-Meisterschaften in Nürnberg wurde der Berliner zwar nur Dritter. Aber Harting glaubt an sich: „Ich bin eigentlich besser, ich kann mehr!“
Dass der erfolgreichste deutsche Leichtathlet des vergangenen Jahrzehnts bei der EM (6. bis 12. August) im Olympiastadion fehlt, ist nicht nur für Harting ein undenkbares Szenario. „Ein Unding“, sagt er. „Das Bundestrainer-Team wird Christoph Harting, Daniel Jasinski und Robert Harting für die EM-Nominierung vorschlagen. Es ist ein unverbindlicher Vorschlag“, sagte Idriss Gonschinska, der Leitende Direktor Sport im Deutschen Leichtathletik-Verband. „Ich sehe meine Chancen bei 75 Prozent“, meinte Harting. Aber eigentlich ist der 33-Jährige so gut wie durch: Der DLV wird den Superstar, den Lokalmatador, den Liebling der Fans nicht zu Hause lassen.
An diesem Montag werden die Nominierungen mit dem Bundesausschuss Leistungssport beraten, am Mittwoch gibt der DLV sein Team für die EM bekannt. Der einzige Tweet, den Robert Harting am Samstagabend nach dem Wettkampf noch absetzte, war eine eindeutige Botschaft: „Wir sehen uns in Berlin;))!!“In Nürnberg sei er nur in einer „Halbform“angetreten, „und das wäre beinahe nach hinten losgegangen“. Denn mit seinen 63,92 Metern lag Harting im Quali-Krimi nur 20 Zentimeter vor dem Magdeburger Martin Wierig, der den Diskus im EM-Jahr sogar schon 66,98 Meter weit geschleudert hat. „Ich möchte jetzt auch nicht in der Haut derjenigen stecken, die das entscheiden müssen: Harting ist jetzt im Team“, sagte der Olympiasieger von 2012. Sein jüngerer Bruder Christoph, bereits für die EM nominiert, trumpfte mit 66,98 Metern auf und holte sich seinen zweiten Meistertitel. Das zweite EM-Ticket geht an Daniel Jasinski (64,82 Meter).
In Berlin könnte es zum nächsten Duell der ungleichen Brüder kommen – im EM-Finale der Diskuswerfer. Das pikante Treffen der Olympiasieger am Samstagabend im ZDFSportstudio fiel aus, weil Robert absagte. „Wir haben ein sehr angespanntes Verhältnis, um zu sagen: gar kein Verhältnis. Einfach aus Respekt meiner Mama und meinen Eltern gegenüber – da will ich einfach nicht, dass jemand neben mir sitzt, und wir unterhalten uns nicht“, sagte Robert, der das Verhältnis in der „Welt“sogar eine „abartige Situation“nannte. Auch für Christoph wäre ein verbales Bruderduell – live vor den Kameras – eine unangenehme Pflicht gewesen. „Da treffen natürlich Welten aufeinander – und deswegen ist das menschlich manchmal schwierig“, sagte der Rio-Olympiasieger im ZDFSportstudio.
EM-Topfavoritin Christina Schwanitz hatte derweil doppeltes Glück. Nach ihrem sechsten Titelgewinn im Kugelstoßen überstand sie auf der Fahrt zu einem Auftritt im „Aktuellen Sportstudio“des ZDF am Samstag einen Auffahrunfall mit dem Auto relativ unbeschadet. „Das war für uns alle ein Schock“, sagte DLV-Leistungssportchef Idriss Gonschinska am Sonntag. Die 32-jährige Sächsin war nach dem Unfall in ein Krankenhaus gebracht worden, konnte es aber wieder verlassen. Sie müsse wohl „einen Schutzengel“gehabt haben, ließ Schwanitz ohne weitere Ausführungen des Geschehens verlauten.