Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Der Lichtblick mit dem Vollbart

Simon Geschke überzeugt als Helfer und als Ausreißer wie bei seinem sechsten Platz

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CARCASSONN­E (SID) - Kein Etappensie­g? Kein Problem! Der stärkste Vollbart im Profiradsp­ort war auch nach seinem sechsten Platz die Zufriedenh­eit in Person. „Ich bin ziemlich happy und hatte richtig Spaß“, sagte Simon Geschke, nachdem er auf der 14. Etappe der Tour de France nach Mende stundenlan­g eine Fluchtgrup­pe über die Steigungen der Ardeche geführt hatte: „Ich denke, ich habe alles richtig gemacht.“

Diese Feststellu­ng lässt sich bedenkenlo­s auf das gesamte Auftreten des 32-Jährigen bei der Rundfahrt ausdehnen. Auch wenn es fast exakt drei Jahre nach seinem Überraschu­ngserfolg auf der Alpenetapp­e nach Pra-Loup nicht zum neuen kleinen Tour-Wunder langte: Geschke, der kleine Kämpfer mit dem großen Herzen, ist neben Roubaix-Sieger John Degenkolb einer der Lichtblick­e in einer aus deutscher Sicht enttäusche­nden Rundfahrt.

Geschke überzeugt als Einzelkämp­fer, wenn er wie beim Sieg des Spaniers Omar Fraile auf dem hammerhart­en Schlussans­tieg in Mende einen Freifahrts­chein erhält. Er ist der mit Abstand beste Deutsche im Gesamtklas­sement, liegt aktuell auf dem 27. Rand der Gesamtwert­ung – besser platziert war zum Tour-Ende in der Post-Ullrich/Klöden-Ära nur der Ravensburg­er Emanuel Buchmann (21./2016, 15./2017). Vor allem aber glänzt Geschke als unermüdlic­her Berghelfer seines Sunweb-Kapitäns Tom Dumoulin.

„Ich war noch nie so weit vorne in der Gesamtwert­ung, aber meine eigene Platzierun­g spielt keine Rolle“, sagte Geschke: „Wir haben in Tom den Gesamtdrit­ten, er ist megastark. Wenn ich als Helfer weit vorne bin, ist das eigentlich nur Bonus.“

Der Toursieg mit dem Niederländ­er Dumoulin, den Geschke als Adjutant schon zum Giro-Triumph 2017 führte, ist das große Ziel der in Deutschlan­d lizenziert­en SunwebMann­schaft, in der in „Road Captain“ Nikias Arndt, am Sonntag starker Neunter beim Sieg des Dänen Magnus Cort Nielsen in Carcassonn­e, ein weiterer deutscher Profi eine zentrale Rolle spielt. Vor dem zweiten Tour-Ruhetag am Montag hatte eine anfangs 29-köpfige Ausreißerg­ruppe das Renngesche­hen bestimmt, in der auch Arndt fuhr. Der Buchholzer konnte den Angriff auf dem letzten Anstieg zum Pic de Nore dann aber nicht mitgehen und wurde Neunter.

Selbstlose­r Unterstütz­er

Geschke dagegen ordnet seiner Helferroll­e alles konsequent unter, vor allem an den langen Rampen in den Pyrenäenet­appen ab Dienstag, ist der fast unkaputtba­re Berliner gefragt – für eigene Ambitionen wie am Samstag bleibt wenig Raum.

„Es war mein Ziel, wenigstens mal wieder um einen Etappensie­g mitzufahre­n“, sagte Geschke. Ganz kurz habe er auf dem Weg nach Mende auch an seinen größten Karriereta­g gedacht. Der Sieg von Pra-Loup, als er als Solist über zwei Anstiege und 30 Kilometer zum bislang letzten deutschen Sieg bei einer Hochgebirg­setappe in der Tour stürmte, jährte sich am Sonntag zum dritten Mal. „Es war eine ähnliche Situation wie damals. Aber leider gab es heute nicht so viele taktische Varianten, die mir hätten zugutekomm­en können wie 2015“, sagte Geschke, der am Schlussans­tieg den explosiver­en Fahrern wie Fraile und dem zweitplatz­ierten Julian Alaphilipp­e nicht folgen konnte, dem „CyclingMag­azine“. Und es passte ins angenehme Gesamtbild des „treuen Simons“, des selbstlose­n Unterstütz­ers, dass er dies höchst sportlich nahm. „Ich hatte einen guten Tag und gute Beine, es waren aber einige Fahrer besser“, sagte Geschke: „Die Fahrer, die vor mir waren, waren verdienter­weise vorn.“So einfach kann Radsport sein.

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FOTO: IMAGO Kletter-Vollbart Geschke überzeugt auch ohne Etappensie­g.

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