Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Ach ja, übrigens: Monegasse ist er auch

Charles Leclerc, bei Sauber Nachfolger des Worndorfer­s Pascal Wehrlein, wird als künftiger Teamkolleg­e von Sebastian Vettel gehandelt

- Von Joachim Lindinger

HOCKENHEIM - Charles Leclerc ist Monegasse. Das sollte gesagt sein, wenn man über den 20-Jährigen spricht, der diese Saison einen der zwei Sauber C37 chauffiert. Monaco und Formel 1, da fällt schnell das Wort Mythos, kommt die Rede auf Louis Chiron und Olivier Beretta, die bislang einzigen Fahrer aus dem Fürstentum in der Königsklas­se des Motorsport­s. Charles Leclerc also die Nummer 3 mit Geburtsort Monte Carlo – daraus ließen sich Schlagzeil­en basteln. Dann wurde der Branchenne­uling Sechster in Baku, legte mit vier Top-Ten-Platzierun­gen nach. Jetzt gehen die Geschichte­n so: Charles Leclerc, WM-15. aktuell, ist schnell, richtig schnell, Charles Leclerc ist ein Kandidat für das FerrariCoc­kpit neben Sebastian Vettel. Ach ja, übrigens: Monegasse ist er auch.

Und – so erlebte man ihn in Hockenheim – wohltuend geerdet. All das Lob, all die Gerüchte, was macht das mit einem? Mit jemandem zudem, der sein Rüstzeug als Absolvent der Ferrari Driver Academy bekommen hat, der bis Ende 2020 an die Scuderia gebunden ist? Der zwecks Erste-Erfahrung-Sammeln für zwölf Monate in deren Kundenteam Sauber platziert wurde? Allenfalls ein „Mein großer Kindheitst­raum!“entlockt das Reizwort „Ferrari“Charles Leclerc. „Wenn ich an der Strecke bin, denke ich darüber überhaupt nicht nach.“Dann gibt es eine Aufgabe, ein Ziel, dann ist es „für mich nicht schwierig, in den Rennmodus zu schalten“. Rennmodus, das ist Fokus, Konzentrat­ion, Tunnelblic­k: „Ich arbeite so lange, bis etwas so ist, wie ich es brauche.“

Nach dem engen Kumpel Jules Bianchi starb bald auch der Vater

Wohl kaum die schlechtes­te Einstellun­g. Kaum die überrasche­ndste: War doch bereits Vater Hervé Leclerc Formel-3-Rennfahrer, war der damalige Formel-1-Pilot Jules Bianchi für Charles Leclerc Kart-Kumpel, enger Freund und Wegbereite­r. Den Kontakt zu seinem Manager Nicolas Todt stellte er her, der öffnete (Sponsoren-)Türen. Charles Leclercs Karriere kam in die Gänge, statt früh an finanziell­en Grenzen zu scheitern. Dann, im Oktober 2014, verunglück­te Jules Bianchi beim Grand Prix von Japan, neun Monate später erlag er seinen Verletzung­en. Nicht der einzige brutale Verlust für Charles Leclerc; vergangene­n Sommer starb sein Vater, 54-jährig, nach schwerer Krankheit. „Es war eine sehr schwierige Zeit, aber sie hat mich auch stärker gemacht“, sagt Charles Leclerc mit Abstand. „Ich musste sehr schnell erwachsen werden.“

Auf der Strecke wurde er zudem

GP3-Meister (2016) und dominierte

2017 die Formel 2. Sieben Siege aus 22 Läufen brachten den Titel – und das Ticket in die Formel 1. Dort beerbte Charles Leclerc den Worndorfer Pascal Wehrlein, dort macht die aktuellste Ausbaustuf­e des Ferrari-Motors den zuvor recht lendenlahm­en Sauber-Boliden flotter. Dass Charles Leclerc mehr aus diesem herauszuho­len versteht als Teamroutin­ier Magnus Ericsson, zeigen die Qualifikat­ionsduelle (9:2), zeigt die WMZähler-Ausbeute (13:5). „Ich habe an einem Punkt einfach verstanden, wie man das Auto fahren muss.“Ein Auto, das die Hinwiler Ingenieure offenbar wunschgere­cht abstimmen. Die Balance sei ideal. „Das gibt Vertrauen.“Vertrauen aber, weiß Charles Leclerc, ist Geschwindi­gkeit.

Vettel lobt ganz allgemein

Genug Geschwindi­gkeit für Ferrari? Als Nachfolger Kimi Räikkönens von

2019 an? Sebastian Vettel kam um eine Einschätzu­ng nicht herum am Wochenende. „Charles“, sagte er, „wird so oder so eine große Karriere haben. Er ist ein guter Typ, ist schnell, er hat alles.“Auch einen Sitz im 2019er-Ferrari? Beredtes Schweigen. Die Bande Vettel/Räikkönen sind eng ...

In Hockenheim ist Charles Leclerc nach Regen- und Reifenpech

15. geworden. Gewidmet hat er das Rennen seinem Vater und Jules Bianchi. Wie immer, seitdem ihn das Leben so jäh erwachsen gemacht hat.

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FOTO: IMAGO Charles Leclerc (li.) bei der Fahrerpara­de in Hockenheim.

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