Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Ungewohnter Gegenwind für die CSU
Nach Großdemo widerspricht die Partei dem Vorwurf der Hetze – Politikwissenschaftlerin sieht Protest über Oppositionsmilieu hinaus
MÜNCHEN (dpa) - In der CSU-Spitze scheint die Nervosität, die Angst vor einem Wahldebakel ein neues Höchstmaß erreicht zu haben. Erst die dramatisch schlechte 38-Prozent-Umfrage aus der vergangenen Woche, keine drei Monate vor der Landtagswahl. Und dann das: 25 000 Menschen, mindestens, die am Sonntag dem Regen trotzen, die mitten in München gegen die CSU, deren Asylpolitik und die Wortwahl der CSU-Führung („Asyltourismus“, „Abschiebe-Industrie“) auf die Straße gehen. Und das nur wenige Monate nach einer Demonstration gegen das umstrittene Polizeigesetz der CSU, ebenfalls mit mehreren zehntausend Teilnehmern. So etwas gab es in Bayern seit Jahren nicht.
„#ausgehetzt“– unter diesem Motto hatten die Initiatoren zum Protest aufgerufen. Doch das mag die CSU nicht auf sich sitzen lassen: Sie startet eine Gegenkampagne, lässt Plakatwagen durch die Stadt fahren, wirft den Organisatoren ihrerseits Hetze vor, propagiert „politischen Anstand“. „Wir wollten bewusst ein Zeichen setzen und das Recht auf freie Meinungsäußerung auch für uns in Anspruch nehmen“, sagt CSU-Generalsekretär Markus Blume am Montag. Schon im Vorfeld seien CSU-Verantwortungsträger angegriffen und in eine Ecke mit Rassisten und Nationalisten gestellt worden – so erklärt er die Reaktion.
Die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch stimmt Blume teilweise zu. „Auch die CSU hat das Recht, sich gegen Vorwürfe zur Wehr zu setzen – und die Partei fühlt sich offenbar empfindlich getroffen“, sagt sie. Dennoch habe sich die Gegenwehr für die CSU nicht gelohnt. „Ich hätte der CSU eher geraten, den Protest einfach zur Kenntnis zu nehmen, das einfach über sich ergehen zu lassen.“Nun habe sich aber gezeigt, „dass die CSU nicht mehr drüber steht“. Weil die Demonstration am Sonntag eben über das reine Oppositions-Milieu hinausgegangen sei. „Die Partei hat offenbar den Eindruck, es könnte ein stärkerer Funke überspringen, auch auf die eigene Klientel. Deshalb ist die CSU so empfindsam.“
Blume dagegen argumentiert, die CSU habe nur deutlich machen wollen, „was sich nach unserer Überzeugung in einem demokratischen Diskurs gehört“. Das müsse erlaubt sein. „Die CSU betreibt keine Hetze, sondern löst politische Probleme. Wir lassen uns deshalb nicht als Anti-Demokraten, Anti-Europäer oder gar als Rassisten beschimpfen.“
Wie ungewohnt für die CSU der massive Protest vieler Bayern ist, hatte sich schon im Vorfeld gezeigt – als die Münchner CSU ein Demonstrationsverbot für städtische Theater verlangte, weil diese als städtische Organisationen parteipolitisch neutral bleiben müssten.
SPD-Spitzenkandidatin Natascha Kohnen lässt derweil nicht gelten, dass die CSU die Demonstration insgesamt diskreditiert. „In München war ein Querschnitt der Bevölkerung auf der Straße. Ich habe auf der Demo die unterschiedlichsten Leute getroffen: Da lief die Nonne neben dem Gewerkschafter, Eltern mit Kindern waren auf der Straße, viele Leute, die noch nie auf einer Demo waren.“Politischer Stil zeige sich vor allem darin, wie man mit Kritik umgehe, betont Kohnen.