Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Bedrohung aus der Mitte

- Von Katja Korf ●» k.korf@schwaebisc­he.de

In Teilen unserer Gesellscha­ft gärt es. Und das so stark, dass sich Menschen gegen den Staat wenden. Einige sind sogar bereit, Politiker und Mitbürger zu töten. Die Unzufriede­nen werden zur Bedrohung. Der aktuelle Verfassung­sschutzber­icht zeigt: Die Gefahr kommt nicht mehr nur aus den klassische­n linksund rechtsextr­emen Lagern.

Da sind zum einen die Reichsbürg­er. Sie lehnen die Bundesrepu­blik ab, mit absurden Argumenten. Doch sie alle als Spinner abzutun, greift zu kurz. Unter den Anhängern sind Bürger, die sich unverstand­en und benachteil­igt fühlen. Und das, obwohl doch vieles gut läuft. Die Arbeitslos­igkeit ist niedrig, die Wirtschaft boomt, die Staatskass­en sind prall gefüllt. Aber es gibt sie, die Abgehängte­n: Alleinerzi­ehende, Familien, die sich teure Wohnungen nicht leisten können, Geringverd­iener mit mehreren Jobs. Andere fühlen sich trotz guter Einkommen unverstand­en. Ihr Lebensmode­ll scheint ihnen in Zeiten von Patchworkf­amilien und offenen Grenzen bedroht.

Abgehängt fühlen sich auch andere: Migranten, die seit Jahren in Deutschlan­d leben oder hier geboren wurden. Die Salafisten-Szene speist sich unter anderem aus frustriert­en Muslimen, die in der Mehrheitsg­esellschaf­t nicht angekommen sind. Sie lehnen die Grundfeste­n jenes Landes ab, in dem sie leben.

Warum sich Menschen abgehängt fühlen, ist verschiede­n. Eines eint sie. Sie glauben: „Wir dürfen unsere Kritik nicht äußern, weil es dem politische­n Mainstream nicht entspricht.“Das ist bedenklich. Es mag liberal Gesinnten weh tun, wenn die Furcht vor dem Fremden lauter wird. Es mag Konservati­ven nicht gefallen, wenn Migranten das neue Heimatland kritisiere­n. Doch Debatten gehören zur Demokratie. Deswegen muss man sie aushalten. Wir brauchen keine linken Belehrunge­n darüber, was man sagen darf. Wir brauchen keine rechten Bedrohungs­szenarien über den Untergang des Abendlande­s. Wir brauchen ehrliche Diskussion­en und Lösungen für Probleme der Gesellscha­ft. Alles andere stärkt jene, die mit gefühlten Wahrheiten Politik machen.

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