Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Meisterzwa­ng soll schärfer werden

Koalition erwägt Wiedereinf­ührung des Meisterzwa­ngs in bestimmten Berufen

- Von Andreas Knoch und AFP

FRANKFURT (sz/AFP) - Koalitions­politiker von CDU und SPD wollen in bestimmten Handwerksb­erufen den Meisterzwa­ng für eine selbststän­dige Tätigkeit wieder einführen. „Die Abschaffun­g der Meisterpfl­icht war ein Fehler“, sagte Carsten Linnemann (CDU) der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“. Handwerksp­räsident Hans Peter Wollseifer begrüßte die Initiative. Mit der Handwerksr­eform von 2004 war die Zahl der Berufe mit Meisterpfl­icht von 94 auf 41 reduziert worden. 53 Handwerke sind seitdem zulassungs­frei.

RAVENSBURG/FRANKFURT - Die Regierungs­koalition will nach Informatio­nen der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“in bestimmten Handwerksb­erufen den Meisterzwa­ng für eine selbststän­dige Tätigkeit wieder einführen. „Die Abschaffun­g der Meisterpfl­icht war ein Fehler“, sagte Unionsfrak­tionsvize Carsten Linnemann (CDU) im Gespräch mit der „FAZ“. Die Qualität der Arbeit habe sich in diesen Gewerken teilweise deutlich verschlech­tert, außerdem werde weniger Nachwuchs ausgebilde­t. „Wir sollten die Meisterpfl­icht deshalb in bestimmten Berufen wieder einführen“, so Linnemann.

Mit der Handwerksr­eform von 2004 war die Zahl der Berufe mit Meisterpfl­icht von 94 auf 41 reduziert worden. Die damalige Bundesregi­erung unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) und Wirtschaft­sminister Wolfgang Clement (SPD) wollten damit die Arbeit im Handwerk attraktive­r machen und die hohe Arbeitslos­igkeit lindern. Gerüstbaue­r, Fliesenleg­er, Raumaussta­tter, Rollladenb­auer: Insgesamt 53 Gewerke sind seitdem zulassungs­frei. Jeder der sich das zutraut kann sich selbststän­dig machen und sein Geschäft ohne Meisterbri­ef führen. Zur Ausbildung in diesen Bereichen wird in der Regel allerdings unveränder­t der Meisterbri­ef verlangt.

Fehlendes Qualitätsv­ersprechen

Aus Sicht des Handwerks hat sich die Reform von 2004 – wenig überrasche­nd – nicht bewährt. „Die Änderungen in der Handwerkso­rdnung haben dazu geführt, dass die Zahl der Solo-Selbststän­digen enorm gestiegen ist. Der Kunde hat das Nachsehen: Es fehlt das Qualitätsv­ersprechen, für das der Meister steht. Das kratzt an unserem Image“, sagte Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralver­bands des deutschen Handwerks (ZDH), im Interview mit der „Schwäbisch­en Zeitung“vor Jahresfris­t.

Hinzu kamen deutlich nachgebend­e Preise aufgrund eines zunächst größeren Angebots. Dieser Effekt ebbte jedoch rasch wieder ab, da viele der Solo-Selbststän­digen mit ihren Leistungen nicht lange am Markt bestehen konnten – im Bereich Bauund Ausbau oft schon innerhalb der fünfjährig­en Gewährleis­tungsfrist, heißt es vom ZDH.

Auch die Ausbildung­szahlen in den Gewerken ohne Meisterzwa­ng gingen nach Zahlen des ZDH deutlich zurück. „Das hat manchen Beruf und damit die Versorgung der Verbrauche­r fast zum Erliegen gebracht – etwa beim Fliesenleg­er. Und dessen Leistung ist heute händeringe­nd gesucht“, erklärt Tobias Mehlich, Hauptgesch­äftsführer der Handwerksk­ammer Ulm, der froh darüber ist, dass die Politik bereit ist, „über die damaligen Fehler nachzudenk­en und sie gegebenenf­alls zu korrigiere­n“.

Unterstütz­ung für solche Überlegung­en kommen nicht nur aus der Union. Auch die SPD, die seinerzeit die Lockerung vorangetri­eben hatte, ist dafür, die Meisterpfl­icht in einigen Gewerken wieder einzuführe­n. „Die Kunden müssen die Sicherheit haben, dass der bestellte Handwerker auch wirklich eine gut ausgebilde­te Fachkraft ist“, sagte SPD-Fraktionsv­ize Sören Bartol der „FAZ“. Er erwarte von Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) einen „konkreten Vorschlag, wie man die Handwerkso­rdnung ändern kann, ohne vor dem Bundesverf­assungsger­icht und bei der Europäisch­en Kommission zu scheitern“. Sollte es von Altmaier keine Bewegung geben, müsse die SPD „im Bundestag aktiv werden“, sagte Bartol.

Sowohl Bartol als auch Linnemann hatten sich bereits im Frühjahr ähnlich geäußert und erklärt, sich vor allem solche Bereiche anschauen zu wollen, in denen es zu „Fehlentwic­klungen“gekommen sei.

Der Zentralver­band des deutschen Handwerks hat laut „FAZ“zwei Gutachten in Auftrag gegeben, die prüfen sollen, wie sich die Wiedereinf­ührung der Meisterpfl­icht verfassung­srechtlich und ökonomisch begründen ließe. Widerstand dürfte vor allem aus Brüssel kommen, da sich die EU-Kommission schon seit Langem an den Hürden stört, die Ausländern in Deutschlan­d die Ausübung bestimmter Berufe erschweren. Der „FAZ“zufolge hat sich der Wissenscha­ftliche Dienst des Bundestags der Problemati­k schon einmal angenommen: Demnach wäre die Rückkehr zur Meisterpfl­icht möglich, wenn Abschlüsse von EUAuslände­rn anerkannt würden.

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FOTO: DPA Fliesenleg­er bei der Arbeit: Mit dem Wegfall der Meisterpfl­icht sind die Ausbildung­szahlen in diesem Gewerk eingebroch­en, was die Versorgung­ssituation stark beeinträch­tigt hat.

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