Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Nordkorea baut Raketentes­tanlage ab

Wie ernst es dem Land mit dem Verzicht auf Atomwaffen ist, bleibt offen

- Von Angela Köhler

TOKIO/SEOUL - Erster wirklicher Abrüstungs­schritt oder wieder nur ein geschickte­r Bluff der Führung? Jüngste Satelliten­aufnahmen vom Sonntag sollen beweisen, dass Nordkorea mit dem Abbau der Raketentes­tanlage Sohae an der Nordwestkü­ste begonnen hat. Nach Angaben der auf Nordkoreas Atomprogra­mm spezialisi­erten Webseite 38North wurden auf dem Stützpunkt ein Gebäude und ein Teststand zurückgeba­ut. North38 ist ein im Washington­er Stimson Center angesiedel­tes Expertente­am. Laut 38North wurde eine auf Schienen bewegbare Vorbereitu­ngshalle abgerissen, wo zuvor Raketen vor dem Abschuss montiert wurden. Außerdem sei eine nahe gelegene Raketentes­tanlage auf den Fotos nicht mehr zu sehen. Der südkoreani­sche Präsidente­npalast bestätigte, dass auch der Geheimdien­st in Seoul entspreche­nde Aktivitäte­n registrier­t habe, nannte aber keine weiteren Details.

Positive Reaktion aus Seoul

Experten der Regierung in Seoul gehen davon aus, dass Sohae eine Schlüssels­tellung im nordkorean­ischen Rüstungspr­ogramm einnimmt. Von dort aus wurden in den vergangene­n Jahren mehrfach Interkonti­nentalrake­ten abgefeuert. Südkoreas Nachrichte­nagentur Yonhap zitiert den stellvertr­etenden Chef des nationalen Sicherheit­sbüros Nam Gwan-Pyo mit der Aussage, bei aller Skepsis gegenüber Pjöngjang „ist es immer noch besser, als wenn sie nichts getan hätten. Wir sehen darin einen Schritt in Richtung Denukleari­sierung.“

Stimmen die Informatio­nen, wäre dies die erste vertrauens­bildende Maßnahme von Diktator Kim JongUn nach seinem Gipfeltref­fen mit US-Präsident Donald Trump Mitte Juni in Singapur. Nach amerikanis­cher Darstellun­g hätten beide Führer in Singapur den Deal „vollständi­ge Denukleari­sierung“gegen „Sicherheit­sgarantien“besprochen, ohne Einzelheit­en zu vereinbare­n.

Trump hatte nach dem Treffen mit Kim jedoch sogar behauptet, dieser habe ihm fest versproche­n, „sehr bald“eine bedeutende Anlage zum Test von Raketenant­rieben zu zerstören. Am Montag betonte der Chef des Weißen Hauses, Nordkorea habe seit neun Monaten keine Rakete mehr abgeschoss­en und auch keine Atomtests durchgefüh­rt. Auf Twitter schrieb der US-Präsident: „Japan ist glücklich, ganz Asien ist glücklich.“

Ganz so ist es wohl nicht und Experten hegen erhebliche Zweifel. Laut Lee Choon-Geun, Raketenspe­zialist am Institut für Wissenscha­ft und Technik in Südkorea, handelt es sich mehr um ein Bauernopfe­r. Nordkorea gäbe nicht viel auf, wenn es einen Testbereic­h der Anlage abbaue. Die Entwicklun­g von Langstreck­enwaffen sei offenbar ausgereizt und es stünden dem Regime auch keine weiteren materielle­n Mittel mehr zur Verfügung. Ein wirklicher Effekt entstünde nur bei der vollständi­gen Demontage der gesamten Anlage. Damit würde eine wichtige Abschussra­mpe außer Betrieb gesetzt.

Andere Experten für Abrüstungs­fragen vermuten, dass Nordkorea das Testgeländ­e Sohae schlicht nicht mehr benötigt, weil es mit den bereits entwickelt­en Antrieben für Mittelstre­ckenund Interkonti­nentalrake­ten zufrieden sei. Raktenspez­ialist Lee wundert sich jedoch, warum Pjöngjang diese Aktivität nicht selbst in die Welt hinausposa­unt hat, um seinen Entspannun­gswillen zu beweisen. Lee vermutet: „Die haben keine große Veranstalt­ung daraus gemacht, weil sie erst die internatio­nalen Reaktionen abwarten und es selbst in der Hand behalten wollen, in welchem Tempo eine mögliche Abrüstung zu vollziehen ist.“

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FOTO: YNA/38 NORTH/DPA Auf der von der Nachrichte­nseite „38 North“zur Verfügung gestellten Aufnahme ist der gerade begonnene Abbau der Raketensta­rtanlage Sohae zu sehen.

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