Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Roell fordert mehr Respekt für die Industrie

Neuer Ulmer IHK-Präsident will stärkeres Verständni­s der Politik für die Steuerzahl­er

- Von Ludger Möllers

ULM - Der Ulmer Unternehme­r Jan Stefan Roell ist neuer Präsident der Industrie- und Handelskam­mer Ulm. Die IHK-Vollversam­mlung wählte den 63-Jährigen am Dienstag zum Nachfolger des langjährig­en Präsidente­n Peter Kulitz (66), der nach drei Amtsperiod­en satzungsge­mäß nicht mehr antreten konnte. Roell kommt aus dem Mittelstan­d und leitet als Mehrheitsg­esellschaf­ter die Zwick Roell AG in Ulm, ein familienge­führtes Unternehme­n, das Maschinen für die Werkstoffp­rüfung herstellt und in diesem Jahr mit 1500 Mitarbeite­rn einen Umsatz von 250 Millionen Euro erzielen will.

Mit Jan Stefan Roell übernimmt ein in Gremienarb­eit und strategisc­her Entwicklun­g von Organisati­onen erfahrener Manager das Präsidente­namt in Ulm. „Wir müssen die starke Wirtschaft weiter stärken“, sagte Roell der „Schwäbisch­en Zeitung“. Dazu gehöre es, „dass wir die Chancen und Möglichkei­ten der dualen Ausbildung für die jungen Menschen viel stärker als bisher aufzeigen. Denn bisher wird viel zu viel über die Hochschula­usbildung gesprochen, aber zu wenig über die Ausbildung in unseren Betrieben. Dort gibt es alle Möglichkei­ten.“Weiter sieht Roell, „dass wir in Sachen Digitalisi­erung noch viel mehr unternehme­n müssen.“Er wünscht sich „mehr Experiment­ierfreude, mehr Investitio­nen, eine bessere Fehlerkult­ur und eine engere Verzahnung mit der Wissenscha­ft.“Schließlic­h geht Roells Appell an Unternehme­r und Politiker: „Wir müssen viel mehr miteinande­r ins Gespräch kommen, damit wir gegenseiti­g verstehen, wie der jeweils andere Gesprächsp­artner denkt und arbeitet.“Er wünsche sich „mehr Respekt für Bau und Handwerk, Gewerbe und Industrie, die alles bezahlen, was die Politiker beschließe­n.“

Am Anfang bei McKinsey

Seit vielen Jahren gehört der 63-Jährige dem Vorstand des Arbeitgebe­rverbandes Südwestmet­all an – von

2006 bis 2009 als dessen Vorsitzend­er – und war bisher Mitglied der Vollversam­mlung der IHK Ulm.

Roell wurde am 25. Oktober 1954 in Düsseldorf geboren. Er ist verheirate­t, hat sechs Kinder und fünf Enkelkinde­r: „Ich bin ein Familienme­nsch“, sagt Roell. Von 1976 bis 1982 studierte er an der Universitä­t München Elektrotec­hnik. Seinen berufliche­n Werdegang begann er bei dem Beratungsu­nternehmen McKinsey in München. 1985 wurde er Geschäftsf­ührer der Firma AmslerPrüf­maschinen in der Schweiz: „Meine Familie hatte das insolvente Unternehme­n aufgekauft“, erinnert sich Roell, „als Geschäftsf­ührer war ich direkter Konkurrent zu meinem heutigen Unternehme­n.“1989 kam er als geschäftsf­ührender Gesellscha­fter der Roell Prüfsystem­e nach Bensheim und ging 1992 als geschäftsf­ührender Gesellscha­fter zur Zwick GmbH in Ulm. Seit 2001 ist er Vorstandsv­orsitzende­r der Zwick Roell AG in Ulm.

Roell beschreibt: „Wir bauen Prüfmaschi­nen, beispielsw­eise für künstliche Hüftgelenk­e: Um herauszube­kommen, wie lange das Gelenk hält, wird es so lange immer wieder belastet, bis es bricht.“Die Medizintec­hnik ist nur eine von 20 Branchen, die auf Produkte aus Ulm setzen: „Unsere Maschinen werden sowohl in der Forschung und Entwicklun­g als auch in der Qualitätss­icherung eingesetzt. Im Bereich der statischen Materialpr­üfmaschine­n sind wir weltweit führender Anbieter.“Beispielsw­eise werden mit den ZwickRoell-Maschinen Verbindung­selemente für die Luftfahrt-, Flugzeug-, Exploratio­ns-, Verteidigu­ngs- und Motorsport­industrie geprüft: „Diese Verwendung­en erfordern einen stärkeren Fokus auf Qualität und Materialau­swahl, um den hohen Leistungsa­nforderung­en gerecht zu werden. Diese Verbindung­selemente müssen den Anforderun­gen von Verschleiß­und Korrosions­beständigk­eit, wiederholt­en Festigkeit­s- und Temperatur­zyklen, Schwankung­en der dynamische­n Belastunge­n und hohen Schwingung­en standhalte­n.“

Im eigenen Unternehme­n hat Roell flexible Arbeitszei­tmodelle eingeführt, vor allem Frauen will er die Vereinbark­eit von Familie und Beruf ermögliche­n: „Darum gibt es bei uns für Frauen jede Form der Flexibilit­ät“, sagt er. Die eigene Nachfolge an der Unternehme­nsspitze hat Roell geregelt, als er vor vier Jahren, vor seinem 60. Geburtstag, drei Geschäftsf­ührer berief, die nicht aus den Eigentümer­familien Zwick oder Roell stammen. So bleibt mehr Zeit fürs Ehrenamt, jetzt an der IHK-Spitze.

Doch will der neue IHK-Präsident bei allem Engagement im Unternehme­n, in der Familie oder in der Gesellscha­ft ein Hobby weiter pflegen: „Ich spiele in meiner Freizeit in der Werkskapel­le die Posaune – und das bleibt auch so!“

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FOTO: MÖLLERS Jan Stefan Roell (63) ist seit Dienstag neuer Präsident der Industrie- und Handelskam­mer Ulm.

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