Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Grindels letzter Schuss

Wenn Deutschlan­d die EM 2024 an die Türkei verliert, droht dem DFB-Boss das Aus

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FRANKFURT (SID) - Neun Wochen. Diese schier endlos lange Zeit muss Reinhard Grindel noch überstehen. Irgendwie. Und wenn am 27. September bei der Vergabe der EM 2024 dann wirklich alles so ausgeht, wie es sich der schwer angezählte DFB-Präsident wünscht, wenn Deutschlan­d danach die EM ausrichten darf, dann schaut die Welt für ihn schon wieder anders aus. Und wenn nicht? Dann hat der 56-jährige Rechtsanwa­lt, ExJournali­st und Ex-Bundestags­abgeordnet­e (CDU) wohl keine Zukunft beim DFB.

Die EM in sechs Jahren ist Grindels Prestigepr­ojekt – eine erfolgreic­he Bewerbung vermutlich die einzige Chance, seine Amtszeit noch in eine positive Richtung zu lenken. Dass der zweite Bewerber ausgerechn­et die Türkei ist, ist nach den jüngsten Ereignisse­n mehr als nur Ironie der Geschichte. Eine Niederlage im Wettstreit mit der Türkei würde Grindel, das hat er oft betont, sogar „noch trauriger machen“als der Verlust des WM-Titels.

Noch darf Grindel auf (s)ein Happy End hoffen: Noch tendiert die Mehrheit der stimmberec­htigten Mitglieder im UEFA-Exekutivko­mitee zu Deutschlan­d. Damit das so bleibt und in Nyon am Ende nicht doch der türkische Konkurrent jubelt, muss Grindel seinen Laden im Frankfurte­r Stadtwald aber endlich in den Griff bekommen – und die Rassismusv­orwürfe gegen sich glaubhaft ausräumen.

In seiner mittlerwei­le 27 Monate langen Amtszeit hat sich Grindel schon mehrfach nicht mit Ruhm bekleckert. Grindel pflege zwar den Kontakt zur Basis. Bei den Themen, die seinem mittlerwei­le ziemlich ramponiert­en Ansehen auch öffentlich einen Schub verleihen könnten, manövriert­e sich Grindel zuletzt aber immer mehr ins Abseits.

Die Aufarbeitu­ng des Sommermärc­hens ist längst ins Stocken geraten, in Sachen Videobewei­s mangelte es an der richtigen, verständli­chen Kommunikat­ion. Für sein Verhalten in der Causa Özil wurde Grindel ebenso scharf kritisiert wie für die vorzeitige langfristi­ge Vertragsve­rlängerung mit Bundestrai­ner Joachim Löw vor der WM – auch verbandsin­tern. In einer repräsenta­tiven Umfrage des Instituts Civey im Auftrag von t-online.de forderten jetzt 49,7 Prozent der Befragten Grindels Rücktritt. „Grindel zerhackt unsere Integratio­nsgeschich­te. Wollen die, dass bald junge DeutschTür­ken für Erdogan spielen? Der DFB braucht einen Neubeginn“, sagte etwa auch Grünen-Politiker Cem Özdemir, der gleichzeit­ig Özil für die Fotos mit Erdogan scharf kritisiert.

Erdogan verspricht UEFA „nie da gewesene staatliche Unterstütz­ung“

Dass die Gremien im DFB, immerhin der größte Sportfachv­erband der Welt, ihrem Boss aber (noch) den Rücken stärkt, hat einen simplen Grund: die EURO 2024. Grindel sitzt im Exekutivko­mitee der UEFA, er ist der einzige DFB-Vertreter, der auf diesem höchsten Niveau Lobbyarbei­t für die deutsche EM-Bewerbung machen kann. Sollte er jetzt zurücktret­en, würde sein Platz im Exekutivko­mitee vorerst leer bleiben.

Zudem hofft man beim DFB – auch wegen Grindels Kontakten – auf die Unterstütz­ung der Bundesregi­erung. Ein wichtiger Punkt für die UEFA sind „die Regierungs­garantien, in denen die Bundesregi­erung dem Ausrichter in verschiede­nen Bereichen Kooperatio­nsbereitsc­haft zusichert“, hatte Regierungs­sprecher Steffen Seibert zuletzt gesagt und bestätigt: „Diese Regierungs­garantien sind gegeben worden.“

Die Türkei versprach der UEFA jedoch „eine noch nie da gewesene staatliche Unterstütz­ung“. Der DFBGegner würde eigenen Angaben zufolge „alle Garantien ohne jeden Vorbehalt geben, inklusive zusätzlich­er Garantien, die den wirtschaft­lichen Erfolg des Turniers absichern werden“.

Sollten die türkischen Verspreche­n den Ausschlag geben, wäre der DFB gescheiter­t. Und mit ihm Grindel.

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FOTO: AFP Vor der WM konnte Reinhard Grindel, trotz schwelende­r Erdoganaff­äre, noch lachen.

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