Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Wenn Frauen töten
Es kommt eher selten vor – und meist fällt ihnen eine spezielle Gruppe zum Opfer – Zwei Frauen sind in Bayern wegen Mordes angeklagt
INGOLSTADT/HOF (dpa) - Wenn Frauen töten, ist das etwas Besonderes. Unter den 823 Tatverdächtigen in Fällen von Mord oder versuchtem Mord waren laut Polizeilicher Kriminalstatistik im vergangenen Jahr nur 105 Frauen. „Frauen sind insgesamt bei allen Gewalttaten deutlich seltener präsent als Männer“, sagt Direktor Thomas Bliesener vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN). In Bayern haben diese Woche gleich zwei Mordprozesse begonnen, in denen Frauen auf der Anklagebank sitzen: Eine soll mit heißem Wasser getötet haben, die andere mit Gift.
Im ersten Fall ist eine 57-jährige Deutsche vor dem Landgericht in Ingolstadt angeklagt. Nach ihrer Aussage wollte sie ihrem Freund nur einen „Denkzettel verpassen“, weil er angeblich untreu war. Deswegen stand die Frau nachts auf, brachte auf dem Herd zwei Töpfe mit Wasser zum Kochen und schüttete das heiße Wasser schließlich über ihren Partner im Schlafzimmer. Der 47 Jahre alte Mann wurde entsetzlich entstellt, er starb im Oktober 2017 vier Tage nach der Attacke seiner Freundin in einer Klinik.
Zu Beginn der Verhandlung ließ die Angeklagte ihren Verteidiger ein Geständnis vortragen. „Dass er daran stirbt, hat sie nicht gewollt und sich nicht vorstellen können“, sagte der Anwalt zu dem Anschlag mit dem heißen Wasser. Die 57-Jährige, die ein Holzkreuz um den Hals trug, bestätigte kurz die Erklärung und schwieg ansonsten zu den Vorwürfen. Das weitere Verfahren verfolgte sie auf der Anklagebank zumeist mit gesenktem Kopf.
Den Ausführungen des Verteidigers zufolge war seine Mandantin davon überzeugt, dass ihr Partner sie mit einer anderen Freundin betrogen hat. Der schwer verletzte Mann holte nach dem Mordanschlag noch selbst Hilfe. Die Ärzte im Krankenhaus kämpften vergeblich um sein Leben. Etwa 70 Prozent seines Körpers waren teils bis in tiefe Hautschichten geschädigt. Er starb an Multiorganversagen.
Auch im zweiten Fall, der vor dem Landgericht in Hof verhandelt wird, geht es um eine unglückliche Beziehung – und um das Motiv Eifersucht. Eine 39-Jährige soll Gift in ein Getränk gemischt und damit einen 64Jährigen ermordet haben. Die Angeklagte sei in die Freundin des Mannes verliebt gewesen, sagt die Staatsanwaltschaft.
Die Deutsche aus dem Raum Regensburg bestreitet eine Mordabsicht. Als sie am Montag den Gerichtssaal betrat, verdeckte sie ihr Gesicht mit einer blauen Mappe. Die Frau mit den kurzen roten Haaren und der Brille wollte selbst nicht viel sagen vor Gericht. Lediglich, dass sie als Hausfrau und Altenpflegerin gearbeitet hat.
Ihr Anwalt verlas jedoch eine Erklärung. Darin hieß es: Ein Mord sei nie geplant gewesen. Sie habe mit dem Gift den 64-Jährigen lediglich für einige Tage außer Gefecht setzen wollen, um mit seiner Partnerin in Ruhe über ihre Gefühle reden zu können. Ihre Hoffnung: Die Frau trennt sich von ihrem Partner und beginnt mit ihr eine Beziehung. „Mir wurde erst später bewusst, was ich angerichtet habe“, hieß es in der Erklärung weiter. „Das hatte ich wirklich nicht gewollt.“
Gift als klassische Mordwaffe einer Frau? Da sei durchaus etwas dran, sagt KFN-Direktor Thomas Bliesener. „Frauen sind häufig körperlich unterlegen, sie setzen stattdessen auf andere Dinge und tragen Konflikte nicht körperlich aus.“
Was er auch beobachtet: „Wenn Frauen töten, dann töten sie eine bekannte Person.“Zum Beispiel den Partner „aus der Dynamik einer Beziehung“heraus. Männern dagegen fielen häufiger völlig fremde Menschen zum Opfer, so wie es bei Amokläufen der Fall sei. Warum Frauen in Beziehungen töten? Zum Teil, weil sie keinen Ausweg sehen, erklärt Bliesener. „Statt den Mann zu verlassen, greifen sie dann zum Beispiel zum Gift.“