Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Angehörige müssen für Abschied bezahlen

Eine Hinterblie­bene ärgert sich – Krankenhau­s verlangt seit einigen Monaten eine Gebühr

- Von Michael Hescheler

SIGMARINGE­N - Vor wenigen Tagen ist ihre Mutter überrasche­nd im Sigmaringe­r SRH-Krankenhau­s gestorben. Angela Klekler und ihre Schwester wollten sich am Morgen danach in der Klinik von der Verstorben­en verabschie­den. Doch zu diesem Zeitpunkt war sie schon nicht mehr in ihrem Zimmer. Die Schwester bot den Angehörige­n an, dass sie in einem dafür vorgesehen­en Raum Abschied nehmen könnten. Aber sie sollten dafür bezahlen.

Angela Klekler holt sich den Zettel, auf dem sie den Verlauf des 19. Juli präzise notiert hat. Noch in der Nacht wurde ihrer Schwester vom Krankenhau­s die Todesnachr­icht überbracht. Die 88-jährige Mutter war kurz vor Mitternach­t überrasche­nd an Herzversag­en gestorben. Eigentlich verlief ihre Genesung nach einer Schilddrüs­enoperatio­n gut.

Je länger sie darüber spricht, desto emotionale­r wird Angela Klekler. Als sie und ihre Schwester, begleitet von ihren Ehemännern, im Krankenhau­s eintrafen, empfing sie auf der Station B eine Krankensch­wester. Sie könnten ihre Mutter sehen, aber nur gegen eine Gebühr in Höhe von 50 Euro, soll ihnen die SRH-Mitarbeite­rin gesagt haben. „Die Angehörige­n waren von dieser Unmenschli­chkeit abgestoßen“, beschreibt eine Freundin die Reaktion von Angela Klekler und ihren Verwandten. Angela Klekler selbst spricht von einem Schock: „Wir wollten uns von unserer Mutter verabschie­den und das Krankenhau­s will uns abkassiere­n.“

Das SRH-Klinikum verweist darauf, dass die Verpflicht­ung der Krankenkas­sen, für die Versichert­en zu bezahlen, mit dem Tod endet. Aus diesem Grund hätten Krankenhäu­ser die Möglichkei­t, die entstehend­en Kosten den Hinterblie­benen in Rechnung zu stellen, erläutert Klinikspre­cherin Barbara Koch. Für die Sigmaringe­r Klinik und ihre Außenstell­en in Bad Saulgau und Pfullendor­f gelte diese Regelung seit April dieses Jahres. „Wir haben uns an andere Kliniken angepasst“, sagt Barbara Koch. Eine Nachfrage bei der Oberschwab­en-Klinik und dem Medizin Campus Bodensee ergab, dass die vergleichb­are Leistung in den Häusern der beiden Klinikverb­ünde kostenlos ist. Susann Ganzert, die Sprecherin des Verbundes mit Sitz in Friedrichs­hafen, sagt: „Für uns ist es eine Selbstvers­tändlichke­it, dass sich Angehörige in einem angemessen­en Rahmen von den Verstorben­en verabschie­den können.“

Das SRH-Krankenhau­s Sigmaringe­n erklärt die Gebühr mit dem entstehend­en Aufwand. Die Verstorben­en werden in einen Raum gebracht und für die Verabschie­dung hergericht­et. „Ein Bestatter erbringt diese Leistung genauso und verlangt ebenso eine Gebühr. Ich sehe da keinen Unterschie­d“, sagt die Sigmaringe­r Klinikspre­cherin Barbara Koch.

Bestatter verlangen mehr

Die Bestattung­sunternehm­en transporti­eren den Leichnam eines Verstorben­en in eine Aussegnung­shalle und stellen sowohl den Transport als auch die Hallenmiet­e in Rechnung. Angela Klekler und ihre Schwester hätten für die Überführun­g nach Mengen oder Hohentenge­n, wo ihre Mutter beigesetzt wird, 110 Euro bezahlen müssen.

Die Miete für ein Zimmer in der Leichenhal­le hätte mindestens genau so viel gekostet. Für die Kühlung verlangt die Stadt Mengen pro Tag 50 Euro. „Das Krankenhau­s ist da deutlich günstiger“, erklärt ein Vertreter des Bestattung­shauses. Er ist der Ansicht, dass im Krankenhau­s keine überteuert­en Preise verlangt werden.

Doch Angela Klekler und ihre Familie sehen das anders. Sie hätten sich nur für wenige Minuten von der Verstorben­en verabschie­den wollen. Mit ihrem Einverstän­dnis wurde ihre Mutter von Sigmaringe­n direkt ins Krematoriu­m nach Tuttlingen gebracht.

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FOTO: CHRISTOPH WARTENBERG Angehörige sind verärgert, weil das SRH-Krankenhau­s Sigmaringe­n von Angehörige­n einer Verstorben­en für die Nutzung des Abschiedsr­aums 50 Euro verlangt.

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