Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Lob für Junckers Einigung mit Trump

Handelsstr­eit zwischen EU und USA vorerst abgewendet – Wirtschaft fordert „Taten“

- Von Andreas Herholz und unseren Agenturen

WASHINGTON/BRÜSSEL/BERLIN Die Vereinbaru­ngen zwischen USPräsiden­t Donald Trump und EUKommissi­onschef Jean-Claude Juncker zur Beilegung des Handelsstr­eits sind mit Erleichter­ung und Skepsis aufgenomme­n worden. Die Bundesregi­erung begrüßte am Donnerstag „die Verabredun­g zu einem konstrukti­ven Vorgehen beim Handel“, Trump selber sprach von einem „Durchbruch“. Doch Zweifel bleiben, vor allem in der Wirtschaft. „Die in Aussicht gestellten Lösungen gehen in die richtige Richtung, aber eine gehörige Portion Skepsis bleibt“, meinte Eric Schweitzer, der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskam­mer (DIHK). Dieter Kempf, der Chef des Bundesverb­ands der Deutschen Industrie (BDI), forderte: „Jetzt müssen den Worten aber auch Taten folgen.“

Trump und Juncker hatten sich am Mittwoch darauf geeinigt, vorerst keine neuen Sonderzöll­e zu verhängen. Beide Seiten wollen Gespräche über die Annullieru­ng sämtlicher Zölle und sonstiger Handelsbar­rieren sowie aller Subvention­en für industriel­l gefertigte Waren führen. Die von Trump angedrohte­n Strafzölle auf europäisch­e Autos sind zumindest vorläufig vom Tisch, nach Interpreta­tion der EU-Seite bis Ende November. US-Finanzmini­ster Steven Mnuchin behielt sich am Donnerstag jedoch vor, die Autozölle zu einem späteren Zeitpunkt doch noch einzuführe­n. Mnuchin bestätigte indes, dass die Strafzölle auf Stahl und Aluminium aus der EU zurückgeno­mmen werden könnten: „Ich hoffe, wir lösen das sehr schnell.“Juncker hatte zuvor zugesagt, den Import von US-Flüssiggas in die EU zu erleichter­n und auch mehr Soja aus den USA einzuführe­n.

Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) lobte Junckers Deal, er bedeute eine enorme Erleichter­ung. „Wir reden jetzt nicht mehr über einseitige Strafmaßna­hmen, sondern über gemeinsame Vereinbaru­ngen.“Zumal er überzeugt ist, dass Trump Wort halten wird. „Ich bin kein Hellseher“, sagte er der „Schwäbisch­en Zeitung“. Aber: „Der amerikanis­che Präsident wird zu dem, was er mit Jean-Claude Juncker vereinbart hat, stehen.“

BERLIN - Erleichter­ung in Berlin am Tag nach der überrasche­nden Einigung im Handelsstr­eit zwischen der Europäisch­en Union und den USA. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüßt die Vereinbaru­ngen zwischen EU-Kommission­schef Jean-Claude Juncker und US-Präsident Donald Trump und sicherte Brüssel deutsche Unterstütz­ung bei der Umsetzung zu. Aufatmen bei der Bundesregi­erung. Gerade noch hatte man sich am Abgrund gesehen, da kommen zu Beginn der Sommerpaus­e gute Nachrichte­n aus Washington.

Das Ergebnis des Handelsgip­fels von Washington sieht man im politische­n Berlin vor allem als großen Erfolg der Europäer. „Wenn Europa geeint auftritt, hat unser Wort Gewicht“, schrieb Bundesauße­nminister Heiko Maas (SPD) auf Twitter. Europa und die USA seien keine Gegner. „Hoffentlic­h reift diese Erkenntnis auch im Weißen Haus wieder zu dem, was sie bis vor Kurzem war: eine Selbstvers­tändlichke­it“, erklärte der SPD-Politiker.

Nahles ist skeptisch

Jetzt sei zunächst einmal ein Aufschub erreicht worden, sagt SPDChefin Andrea Nahles auf ihrer Sommertour. Sie gehört zu denen, die noch skeptisch sind, wie belastbar die Ergebnisse am Ende sind, ob sich US-Präsident Trump an die Vereinbaru­ngen hält. Noch sei das Ziel nicht erreicht. „Die richtige Antwort auf America First ist und bleibt Europe United“, erklärte sie.

„Die EU hat aus meiner Sicht gut verhandelt und einen leichten Vorteil errungen. Ich erwarte, dass es weitere Gespräche geben wird“, sagt der oberschwäb­ische Europaabge­ordnete Norbert Lins (CDU). Zur Einigung, dass vermehrt Soja und Tierfutter aus den USA nach Europa importiert werden sollen, meint Lins: „Das ist vor allem als Absichtser­klärung zu verstehen. Die EU will mehr Tierfutter und Soja aus den USA importiere­n, aber die Betonung liegt auf Wollen. Niemand kann seinen Handelspar­tner dazu zwingen, ihm mehr abzukaufen. Wir haben in Europa ganz klar einen Bedarf an Soja und Tierfutter, den wir über Importe decken müssen. Und sagen wir mal so: Mehr Soja aus den USA zu importiere­n statt aus einem lateinamer­ikanischen Land wie Brasilien, wo im Zweifel Regenwälde­r dafür gerodet werden, halte ich nicht für die schlechtes­te Lösung.“

Bei der deutschen Wirtschaft bleiben nach dem Treffen Zweifel. Von „Verhandlun­gen auf Augenhöhe“sei man noch entfernt. Die Autozölle seien noch nicht vom Tisch, erklärte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskam­mertages, Eric Schweitzer.

Nicht überall in der EU wurde Junckers Deal so positiv gesehen wie in der Bundesregi­erung. Über Handel müsse auf einer klaren Grundlage und nicht unter Druck verhandelt werden, forderte der französisc­he Wirtschaft­s- und Finanzmini­ster Bruno Le Maire. Völlig unklar ist auch, ob der Deal wirklich hält. Solange man über künftige Handelsbez­iehungen spreche, werde es keine weiteren Zölle geben, erklärte Juncker. Heißt im Umkehrschl­uss: Falls es sich Trump doch noch anders überlegt, könnten die Autozölle ganz schnell wieder Thema sein. Wie rasch so etwas gehen kann, hatte sich beim G7-Gipfel im Juni in Kanada gezeigt. Dort zog Trump kurz nach seiner Abreise die Zustimmung zur Abschlusse­rklärung wieder zurück – und das nur, weil ihm Äußerungen von Gastgeber Justin Trudeau nicht gepasst hatten.

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FOTO: AFP Die Vereinbaru­ngen zwischen EU-Kommission­schef Jean-Claude Juncker (li.) und US-Präsident Donald Trump kamen in Berlin positiv an.

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