Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Kliniken lassen Zuschüsse für mehr Pflegekräfte liegen
Fördertopf des Bundes wird nicht ausgeschöpft – Ein Grund dafür ist der Mangel an Bewerbern
RAVENSBURG - Die Krankenhäuser in Baden-Württemberg verzichten auf Geld vom Bund in Millionenhöhe für mehr Pfleger und Schwestern. Von 145 in Frage kommenden Kliniken im Südwesten riefen im vergangenen Jahr nur 78 entsprechende Fördermittel ab, wie aus einem am Donnerstag in Berlin vorgestellten Bericht des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen hervorgeht. Bundesweit wurden demnach von den bereitgestellten 300 Milliarden Euro für die Jahre 2016/17 nur
157 Millionen Euro tatsächlich in Anspruch genommen.
Ziel des 2015 vom damaligen Gesundheitsminister Hermann Gröhe aufgelegten Förderprogramms war es, für „mehr Personal am Krankenbett“zu sorgen, wie der CDU-Politiker sagte.
Das gelingt nur zum Teil: Im Jahr
2017 flossen aus dem Programm
15,2 Millionen Euro nach BadenWürttemberg. Damit wurden
299 Stellen eingerichtet. Im Jahr zuvor waren es 7,2 Millionen Euro und
145 Stellen. „Wir gehen davon aus, dass etwa 60 bis 62 Prozent des für Baden-Württemberg zur Verfügung stehenden Geldes abgerufen wurden“, sagt Matthias Einwag, Hauptgeschäftsführer der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft, im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“.
Viele Häuser in roten Zahlen
Er sieht zwei Gründe dafür, dass der Fördertopf nicht voll ausgeschöpft wird. Erstens gebe es schlicht zu wenig Krankenpfleger auf dem Markt. „Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit kommen auf 100 offene Stellen nur 25 arbeitslose Krankenpfleger“, so Einwag.
Zweitens seien gerade in BadenWürttemberg viele Krankenhäuser in den roten Zahlen. Das ist von Belang, weil der Bund nur 90 Prozent der Kosten für eine zusätzlich geschaffene Pfleger-Stelle übernimmt – die Kliniken müssen sich mit zehn Prozent beteiligen. Bei 60 000 Euro Gesamtkosten, die der Arbeitgeber für eine Pflegekraft pro Jahr in Baden-Württemberg einrechnen muss, bedeutet das für die jeweilige Klinik einen Mehraufwand von 6000 Euro pro Jahr und zusätzlicher Pflegekraft. „Wenn ein Krankenhaus sowieso schon im Defizit ist, überlegt es sich diese Ausgabe“, so Einwag.
Das Stuttgarter Sozialministerium nennt einen weiteren Grund, warum das Geld des Bundes nicht vollständig abgeschöpft wird. Einer Sprecherin von Minister Manfred Lucha (Grüne) zufolge „sieht das Programm keine langfristige Finanzierung des zusätzlichen Personals vor“. Ende 2018 ist Schluss mit dem aktuellen Förderprogramm.
Für die Zeit danach setzt Krankenhausgesellschafts-Geschäftsführer Einwag setzt auf das Pflegestärkungsgesetz des Bundes. Darin werde ab 2019 geregelt, dass zusätzliche Stellen in der Krankenpflege zu 100 Prozent finanziert würden – eine Beteiligung des Krankenhauses wäre dann nicht mehr nötig. „Ab dann wird das auch noch mehr in Anspruch genommen“, erwartet Einwag – und schränkt ein: „Wenn man die entsprechenden Pflegekräfte überhaupt findet.“