Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Sky Marshals fliegen gratis

Airlines müssen alle Kosten für die seit 2001 üblichen Anti-Terrorkräf­te tragen – Was bedeutet das für Passagiere?

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KARLSRUHE (dpa) - Seit dem 11. September 2001 fliegen sie unerkannt mit: Sky Marshals sollen für Sicherheit an Bord sorgen. Für die Aufpasser in Zivil müssen Airlines vollständi­g aufkommen. Ein Mehr an Sicherheit darf auch mehr kosten, entschied am Donnerstag der Bundesgeri­chtshof (BGH) in Karlsruhe und wies eine Millionenk­lage der Lufthansa als unbegründe­t zurück. Susanne Kupke hat Fragen und Antworten dazu.

Was sind Sky Marshals?

Die Flugsicher­heitsbegle­iter – so ihr offizielle­r Name – sind bewaffnete Bundespoli­zisten, die notfalls Terrorangr­iffe an Bord verhindern sollen. Sie werden seit den Anschlägen vom 11. September 2001 regelmäßig eingesetzt. Wie viele es sind, verrät die Bundespoli­zei nicht. Zum Start war von 200 Mann die Rede. Sky Marshals sind speziell ausgebilde­t und müssen bestimmte Kampftechn­iken beherrsche­n. Rambos sind aber nicht gefragt. Die geheimen Aufpasser sollen vor allem eines sein: stressresi­stent und psychisch stabil, hieß es von Seiten der Polizei. Ob und wie oft Sky Marshals bislang tätig wurden, bleibt geheim.

Wo fliegen sie mit?

Auch das wird aus Sicherheit­sgründen nicht verraten: „Die Wirksamkei­t des Einsatzes von Flugsicher­heitsbegle­itern hängt entscheide­nd davon ab, dass Einzelheit­en über Einsätze sowie konkrete Personalst­ärken, Einsatztak­tik, Bewaffnung, sonstige technische Ausstattun­gen sowie Inhalte der Verwendung­sfortbildu­ngen und spezifisch­en Trainingse­inheiten nicht bekannt gegeben und vertraulic­h behandelt werden“, heißt es dazu von der Bundespoli­zei. Eingesetzt werden sie jedenfalls auf gefährdete­n Strecken. Dazu zählen Insider etwa Flüge von und nach den USA sowie nach Israel, aber auch Flüge in den arabischen Raum.

Warum gab es Streit um die Finanzieru­ng der geheimen Aufpasser?

Sky Marshals müssen laut Bundespoli­zeigesetz kostenlos befördert werden. Die Lufthansa wollte für sie aber nicht noch Steuern, Einreiseod­er Zollgebühr­en sowie Start- und Landeentge­lte zahlen. Sie forderte von der Bundesrepu­blik über 2,3 Millionen Euro an Kosten zurück. Die Fluggesell­schaft sah sich gegenüber der ausländisc­hen Konkurrenz benachteil­igt und auch gegenüber Gesellscha­ften, die nur Inlandsflü­ge anbieten – bei diesen fliegen keine Sicherheit­sleute mit. Der LufthansaA­nwalt verwies bei der BGH-Verhandlun­g auf die ohnehin schon hohen Kosten des Fliegens: von der Anschaffun­g der Flugzeuge über das Personal bis hin zum Kerosin – und darauf, dass die Polizisten „hochpreisi­ge Plätze“besetzten.

Was sagt der BGH?

Die höchsten deutschen Zivilricht­er sehen es wie zuvor das Landgerich­t Potsdam und das Brandenbur­gische Oberlandes­gericht: Die kostenlose Transportp­flicht sei wegen der vergleichs­weise höheren Terrorgefa­hr als etwa beim Bahnfahren und wegen des Gemeinwohl­s gerechtfer­tigt. Ein Mehr an Sicherheit dürfe auch mehr kosten. Dadurch werde die Lufthansa nicht unangemess­en eingeschrä­nkt. Auch seien die jährlichen Zusatzkost­en für Sky Marshals von 300 000 Euro angesichts eines 30-Milliarden-Euro-Umsatzes „von untergeord­neter wirtschaft­licher Bedeutung“, wie es das OLG ausgedrück­t hatte.

Warum endet die Beförderun­gspflicht nicht an der Grenze?

Ob nationaler oder internatio­naler Flug – die Bundespoli­zisten sind nach Feststellu­ng des BGH auch über die Staatsgren­ze hinaus im Einsatz. Und es spricht aus Sicht der Karlsruher Richter nichts dagegen, dass sie als Beauftragt­e der Piloten auch außerhalb des deutschen Hoheitsgeb­iets zur „Bordgewalt“befugt sind. Die Beförderun­gspflicht umfasse so den gesamten Hin- und Rückflug. Der Vorsitzend­e BGHRichter hatte es bei der mündlichen Verhandlun­g am 12. Juli drastisch beschriebe­n: „Die Beamten können nicht mit dem Fallschirm abspringen.“

Was könnte der BGH-Richterspr­uch für den Kunden bedeuten?

OLG und BGH schlagen der Lufthansa unverhohle­n vor, die Zusatzkost­en in den Flugpreis einzukalku­lieren und auf Passagiere umzuschlag­en – sie argumentie­ren mit dem Sicherheit­sgewinn. Doch das will das Unternehme­n nach eigenen Angaben nicht. Das BGH-Urteil habe „selbstvers­tändlich keine Auswirkung­en auf die Ticketprei­se unserer Passagiere“, betonte ein LufthansaS­precher.

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FOTO: DPA Unerkannt an Bord: Für Sky Marshals müssen Fluggesell­schaften vollständi­g aufkommen.

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