Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Künstler wettert gegen Stadt Biberach
Der Schöpfer des Spitalhofbrunnens ist sauer über dessen nun vollzogenen Abbau
BIBERACH - Der Stuttgarter Künstler Wolfgang Thiel, der vor rund 20 Jahren den inzwischen abgebauten Spitalhofbrunnen in Biberach schuf, zürnt noch immer über diese Entscheidung. In einem offenen Brief an Oberbürgermeister Norbert Zeidler spricht er nun von Rufschädigung. In Richtung Schwarz-Veri-Gruppe, die dort an Schützen ihr Fest feiert und froh über den Zugewinn an Platz ist, fragt Thiel, ob sie damit nicht bewiesen hätten, „dass sie schon immer Räuber im schlechtesten Sinne waren?“
Er sei davon ausgegangen, dass das Vorhaben, den Brunnen abzubauen, inzwischen aufgegeben worden sei, weil er lange nichts mehr davon gehört habe, schreibt Thiel sinngemäß in seinem Brief, der vom 23. Juli datiert. Zu seiner großen Überraschung habe er aus der Zeitung und durch den Biberacher Kulturdezernenten Jörg Riedlbauer davon erfahren müssen, dass der Brunnen tatsächlich abgebaut worden sei. „Ich empfinde die Vorgehensweise als gewaltige Enttäuschung, Ignoranz der Spenderin gegenüber und als heimtückisches Liquidieren“, schreibt Thiel, der den Brunnen 1998 im Auftrag einer inzwischen verstorbenen Stifterin angefertigt hatte, die nicht genannt werden wollte.
Die Zeitungsfotos vom Abbau zeigten, „dass der Abbau so sorglos vorgenommen wurde, wie man ihn allenfalls für eine Entsorgung und nicht für einen Wiederaufbau braucht. Dieser Abbau kommt dem Status der persona non grata gleich, der meinem Ruf großen Schaden zufügt“, so der Künstler.
„Kunst ist Frage der Bildung“
Eine überzeugende Begründung für den Abbau habe er bis heute nicht gehört, außer hilflosen Geschmacksbekenntnissen oder flotten Stammtischfloskeln. „Kunst ist schließlich keine Geschmackssache, wie viele meinen, sondern eine Frage der Bildung“, schreibt Thiel.
Auch das Argument, dass die Schwarz-Veri-Gruppe nunmehr Platz für ihr jährliches Laienspiel habe, lässt Thiel nicht als Argument gelten: „Schließlich steht der Brunnen pro anno 364 Tage länger im Hof als die Schwarzen Veri und war alles andere als Brosche oder Dekoration.“Das Kunstwerk sei 20 Jahre lang wahrgenommen worden. Mit seinen dynamischen Farben und abstrahierten Formen habe es in dem Hof einen deutlichen Kontrast geschaffen, Kinder angesprochen und altertümelndem Schwelgen widersprochen. Nun sei die seit der Reformationszeit gelebte Biberacher Toleranz abgebaut worden: „die Toleranz der Simultaneität, der Gleichzeitigkeit zweier Meinungen“.
Thiels Rundumschlag trifft auch die Schwarz-Veri-Gruppe: „Haben die romantisierten Schwarz Veri damit nicht bewiesen, dass sie immer schon Räuber im schlechtesten Sinne waren? Erstaunlich, dass man immer das Schlechte in der Welt zu dramatischem Stoff romantisiert, denn die Schwarz Veri waren keine sozial orientierten Robin Hoods.“Bestohlen seien auch die Bürger, die für einen Schwarz-Veri-Tag Zigtausend Euro zahlen dürften.
Auch wenn vertraglich geregelt, sei der nicht nachvollziehbare Abbau des Kunstwerks „Unkultur und Bildersturm und trägt nicht die bewundernswerte Prägung Alt-Biberacher Toleranz, die vor 500 Jahren zu einer Simultankirche fähig war“, wettert Thiel. Er danke dem kleinen Grüppchen weitsichtiger Verteidiger des Brunnens. Für die anonyme Spenderin sei der Abbau eine Entwürdigung. Wolfgang Thiel schlägt vor, sie posthum zur Ehrenbürgerin der Stadt zu ernennen.
Von der Stadt Biberach war auf Anfrage der SZ bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme auf Wolfgang Thiels offenen Brief mehr zu erhalten.