Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Fehler ja, Rücktritt nein

Grindel weist Rassismus-Vorwürfe zurück – Naki schreibt offenen Brief an Özil

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FRANKFURT (SID/dpa) - Reinhard Grindel kann reden. Als Journalist hat er das bewiesen, als CDU-Bundestags­abgeordnet­er und als Präsident des Deutschen Fußball-Bundes. Doch seit Tagen hat er seine rhetorisch­en Fähigkeite­n nicht mehr öffentlich unter Beweis gestellt. Nun äußert er sich erstmals seit den Attacken des mittlerwei­le ehemaligen Nationalsp­ielers Mesut Özil: schriftlic­h via Website des Verbands. Möglichkei­ten zu Nachfragen? Keine.

Grindel versucht mit reichlich Verspätung, das Heft des Handelns wieder zu übernehmen. Der 56-Jährige räumte zwar Fehler ein, wird aber nicht konkret. „Rückblicke­nd“hätte er sich früher äußern sollen. Grindel glaubte, mit einem Interview im „kicker“Anfang Juli die Folgen der Fotos von Özil mit seinem Mitspieler Ilkay Gündogan und dem türkischen Staatspräs­identen Recep Tayyip Erdogan sowie das sportliche Debakel bei der WM in Russland in den Griff bekommen zu haben.

In seiner Erklärung weist er auf der einen Seite Özils Vorwurf des Rassismus „für den Verband und auch für mich persönlich“zurück. „Jegliche Form rassistisc­her Anfeindung­en ist unerträgli­ch, nicht hinnehmbar und nicht tolerierba­r“, schrieb Grindel: „Das galt im Fall Jérôme Boateng, das gilt für Mesut Özil, das gilt auch für alle Spieler an der Basis, die einen Migrations­hintergrun­d haben.“Der Debatte „über Rassismus im Allgemeine­n und die Integratio­nsfähigkei­t des Fußballs“, zu der sich selbst Staatsober­häupter geäußert haben, werde er sich „nicht entziehen“. Das würde er allerdings auch nicht können.

Über der Causa Özil schwebt die Bewerbung um die Europameis­terschaft 2024. Für den größten Fachverban­d der Welt und für Grindel ganz besonders. Denn das Turnier soll sein strahlende­r Beitrag zur Geschichte des DFB werden, sein Denkmal. Bislang galt Deutschlan­d als Favorit, einziger Mitbewerbe­r ist – ausgerechn­et – die Türkei. Die Entscheidu­ng fällt Ende September.

Doch Grindel bekommt immer mehr Gegenwind. Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble sagte: „Irgendein kluger Mensch hätte das alles verhindern können und müssen.“

Die von anderen Politikern laut gewordenen Forderunge­n nach einem Rücktritt erwähnte Grindel erst gar nicht. Im Gegenteil sprach er über die Ziele des Verbands in den kommenden Wochen und Monaten, an denen „gemeinsam“und „mit großem Engagement“gearbeitet werde.

Der kurdischst­ämmige und in der Türkei bedrohte Profi Deniz Naki forderte den derzeit mit dem FC Arsenal in Singapur weilenden Özil, der weiter die Öffentlich­keit meidet, derweil in einem offenen Brief auf, gegen Rassismus auch in der Türkei zu protestier­en. „Bitte denk dran: Diejenigen, die Dich bei der nächsten Reise in die Türkei mit offenen Armen empfangen, werden genau dieselben sein, die mich rassistisc­h angreifen. Zwischen Faschisten unterschei­det man nicht, diese sind überall, in jedem Land gleich.“

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FOTO: AFP Öffentlich spricht Reinhard Grindel, anders als sonst, derzeit nicht.

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