Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Die CSU erwartet ein heißer Herbst

Landtagswa­hl wird spannend wie seit Jahrzehnte­n nicht – Sieben Parteien haben Chancen

- Von Ralf Müller und unseren Agenturen

MÜNCHEN - Zweieinhal­b Monate vor der Landtagswa­hl am 14. Oktober ist in Bayern die politische Zukunft in der Tat offen wie lange nicht. Nicht nur die Zahl der Parteien, die sich realistisc­he Hoffnungen auf den Einzug in den Landtag machen können, ist mit bis zu sieben die höchste seit 1946. Auch die jahrzehnte­lange Vorherrsch­aft der CSU, verbunden mit einem Alleinregi­erungsansp­ruch, hat heftige Risse bekommen. Den Christsozi­alen bläst insbesonde­re wegen ihrer Asyl- und Sicherheit­spolitik auch in Bayern ein Proteststu­rm entgegen, wie es ihn schon lange Jahre nicht mehr gegeben hat.

Komplettie­rt wird die chaotische Ausgangsla­ge für die Wähler wie Parteien durch kaum seriös kalkulierb­are Koalitions­planspiele, die viele Bündnisse rechnerisc­h denkbar, manche aber nur schwer vorstellba­r erscheinen lassen.

Der bayerische Ministerpr­äsident und CSU-Spitzenkan­didat Markus Söder hat die für seine Partei ungünstige­n Meinungsum­fragen relativier­t. Die Wahl am 14. Oktober sei für viele Menschen „noch unglaublic­h weit weg“, sagte Söder. Die Hälfte der Wähler habe sich noch nicht entschiede­n. Söder deutete eine mögliche leichte Liberalisi­erung der CSUMigrati­onspolitik an. Man müsse eine „noch bessere Balance bei Themen wie Humanität und Ordnung“finden, sagte der bayerische Regierungs­chef.

In früher kaum denkbaren Tiefen

Als vor wenigen Tagen der Bayerische Rundfunk seine große Umfrage präsentier­te, fühlten sich viele in der CSU an den 24. September 2017 erinnert. Wieder blieb die blaue Säule mit dem CSU-Ergebnis in früher kaum denkbaren Tiefen stehen: Nur 38 Prozent der Bayern würden der CSU danach ihre Stimme geben – fast zehn Prozentpun­kte weniger als 2013, als die CSU mit 47,7 Prozent die absolute Mehrheit der Mandate im Landtag zurückerob­ern konnte.

Die SPD landete in der Umfrage bei 13 Prozent und damit nur knapp vor der AfD mit 12 Prozent – und deutlich hinter den Grünen mit 16 Prozent. Die Freien Wähler kamen auf 9, die FDP auf 5 Prozent. Sogar die Linke kann sich mit 4 Prozent Hoffnungen auf einen Einzug ins Maximilian­eum machen.

Die Zahlen belegen einmal mehr, was seit Jahren in ganz Deutschlan­d und auch in weiten Teilen Europas zu spüren ist: Das Machtgefüg­e ist empfindlic­h ins Wanken geraten, ehemals große Volksparte­ien verlieren massenhaft Wähler an eine wachsende Zahl von zumindest anfangs kleinen Parteien.

Anders als SPD und CDU konnte die CSU im konservati­ven Bayern, und hier zumeist auf dem Land, diese Entwicklun­g lange ignorieren und auf ihre in westlichen Demokratie­n einzigarti­gen Wahlergebn­isse verweisen. Doch die AfD und andere rechtspopu­listische Tendenzen haben diese Bastion ins Wanken gebracht; das Dogma von Franz Josef Strauß, wonach es rechts von der CSU keine demokratis­ch legitimier­te Partei geben dürfe, ist längst ein Satz für die Geschichts­bücher.

Das CSU-Landtagswa­hlprogramm soll erst auf einem Parteitag Mitte September beschlosse­n werden. Auch wenn der nächste Ministerpr­äsident sicher wieder von der CSU gestellt wird, dürfte auch die Partei vor einer Neuordnung stehen. Im Asylstreit der vergangene­n Wochen

hat sich gezeigt, dass der Burgfriede zwischen Söder, Parteichef Horst Seehofer, Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt und Parteivize Manfred Weber, um nur einige der Beteiligte­n zu nennen, fragil ist. Hinter den Kulissen wird diskutiert, wie es in der Parteihier­archie weitergeht, wenn die CSU unter 40 Prozent rutschen sollte.

Söder und die CSU hätten jahrelang Probleme in Bayern schöngered­et und verspräche­n jetzt kurz vor der Wahl Dinge, die sie längst hätten erledigen müssen, erklärte der Vorsitzend­e der Freien Wähler, Hubert Aiwanger. Im Einzelnen nannte er mehr Kinderbetr­euungsplät­ze, Hausärzte, Hebammen, Lehrer, Polizisten, bessere Krankenhau­sfinanzier­ung und zudem schnelles Internet.

Bei der SPD, die bei der Landtagswa­hl 2013 noch 20,6 Prozent erzielt hatte, sieht es nicht viel besser aus. Sollten die Sozialdemo­kraten diesmal deutlich schlechter abschneide­n, wird sich auch die Spitzenkan­didatin und Landeschef­in Natascha Kohnen viele neue Fragen stellen müssen.

 ?? FOTO: DPA ?? Der bayerische Ministerpr­äsident und CSU-Spitzenkan­didat Markus Söder versucht es mit neuen Tönen in der Migrations­politik.
FOTO: DPA Der bayerische Ministerpr­äsident und CSU-Spitzenkan­didat Markus Söder versucht es mit neuen Tönen in der Migrations­politik.

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