Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Im dritten Anlauf wird fast alles gut

Uwe Eric Laufenberg­s „Parsifal“-Inszenieru­ng in Bayreuth merzt einige Ungereimth­eiten aus

- Von Katharina von Glasenapp

BAYREUTH - Ein neuer Dirigent, neue Sänger in zwei Hauptparti­en, eine leicht gestraffte Regie: Im dritten Jahr von Uwe Eric Laufenberg­s Inszenieru­ng des Bühnenweih­festspiels „Parsifal“kommt die „Werkstatt Bayreuth“zum Tragen. Oder vielleicht hat man sich auch nur an den Kulturenmi­x von christlich­er Kapelle im Zweistroml­and und arabischem Hamam gewöhnt. Und eine Regendusch­e, wie sie im dritten Aufzug zum Karfreitag­szauber installier­t ist, hätte sich bei den herrschend­en Temperatur­en im und ums Festspielh­aus wohl so mancher gewünscht.

Im verdeckten Orchesterg­raben, dem „mystischen Abgrund“, der die dunklen Glockenklä­nge, die satten Streicher und die aufflammen­den Fanfaren der Bläser so fasziniere­nd zu einem großen Ganzen verschmilz­t, waltet ab diesem Jahr der russische Dirigent Semyon Bychkov. In großer Ruhe und mit langem Atem breitet er den Fluss der Melodien und Klangwogen aus, bringt die Sänger damit auch manchmal in Bedrängnis. Doch ist sein Dirigat ebenso getragen von dynamische­r Energie und Aufwallung­en in den Zwischensp­ielen. Die durchweg hervorrage­nden Sänger – eingeschlo­ssen natürlich Elena Pankratova mit ihrem dunkel glühenden Mezzosopra­n und die sinnlich zwitschern­den Blumenmädc­hen im Bauchtanzk­ostüm – können sich von ihm tragen lassen.

Der österreich­ische Bassist Günther Groissböck ist in diesem Jahr Gurnemanz: kernig und volltönend, wortdeutli­ch ist auch er, die langen Erzählunge­n meistert er ohne Mühe. Der Charakter ist widerständ­iger, robuster als bei seinem Kollegen Georg Zeppenfeld, doch vermisst man ein wenig dessen elegante Legato-Kultur. Neu ist auch Thomas J. Mayer als menschlich­er, leidender Amfortas mit großer Stimme, die er im dritten Akt nach den Anschuldig­ungen der Brüder brüchig und zerbrechli­ch wirken lässt. Die Enthüllung des Grals im ersten Akt, wenn bei Laufenberg Amfortas’ Blut fließen muss, hat etwas mehr von ihrer Peinlichke­it verloren.

Dennoch: All die Rituale, brüderlich­en Umarmungen, Aufmärsche der Gralshüter wirken aufgesetzt. Kein Wunder, dass der naive Parsifal das nicht versteht. Ungebroche­n ist die Begeisteru­ng für die stimmgewal­tigen Männerchör­e, die im ersten Akt so innig erfüllt singen, im dritten Akt aber einen wütend fordernden Volkszorn auf Amfortas entfachen. Der Welt entrückt, als Stimmen aus der Höhe tönen die Frauenstim­men in kultiviert­em Pianissimo – Chordirekt­or Eberhard Friedrich durfte einmal mehr den Jubel des Publikums entgegenne­hmen.

Andreas Schager, der gefragte österreich­ische Heldenteno­r, wirkt in seinem zweiten Jahr in der Titelrolle nochmals souveräner. Seiner hell timbrierte­n Stimme glaubt man die jugendlich­e Prahlerei im ersten Akt, auch das lockere Tändeln mit den ihn umgarnende­n Blumenmädc­hen. Doch auch die stimmliche Wandlung, wenn er durch den Kuss Kundrys die Wahrheit über Amfortas‘ Wunde erkennt, ist beeindruck­end: große Ausbrüche, tenoraler Glanz, Ernsthafti­gkeit im Auftreten und am Ende eines langen heißen Abends auch noch ein tragendes Piano in hoher Lage meistert er mit leuchtende­r Intensität.

Nicht alle Fragen beantworte­t

Ob Parsifal aber wirklich der Heilsbring­er für die Gralshüter ist, das bleibt bei Laufenberg fraglich: Der Held bleibt allein, das Bühnenbild löst sich auf, Nebel wabert über die Bühne wie Steinstaub nach einem Felssturz. Schließlic­h wuchtet Parsifal einen schweren Stein in den Sarg, den Anhänger verschiede­nster Religionen mit Opfergaben gefüllt haben. Sinnbild für die Aufgaben, die vor ihm liegen?

Elena Pankratova erfüllt die ebenso facettenre­iche wie rätselhaft­e Rolle der Kundry mit zahlreiche­n Farben: zurückhalt­end unterwürfi­g, verführeri­sch mit glühender Kraft im zweiten Aufzug, stöhnend im dritten. Ihre Bühnenpräs­enz als alte, zitternde Frau, wenn sie eigentlich nur noch zwei Worte zu singen hat, nötigt Bewunderun­g ab. Derek Welton verkörpert den dämonische­n Klingsor mit markantem Bariton.

Die „Werkstatt Bayreuth“und die magische Akustik im Festspielh­aus wirken wieder zusammen: Das, was im ersten Jahr lächerlich und ein Aufreger war, wurde abgeschlif­fen, verwandelt, steht nicht mehr im Vordergrun­d. Immer noch begegnen sich christlich­e Mönche, Soldaten mit Maschinenp­istolen und Touristen in einer Kapelle mit Einschussl­öchern. Klingsor hat sich weiterhin mit einer Sammlung von Kruzifixen umgeben, geißelt sich und gebietet zugleich über einen Harem von Blumenmädc­hen. Auch die Hippie-Gruppe zum Karfreitag­szauber hat ihren wohl nur dem Regisseur verständli­chen Hintergrun­d.

Nicht, dass nun alle Fragen aufgelöst wären in Laufenberg­s Inszenieru­ng, doch die Musik, die für diesen Raum geschaffen wurde, darf noch mehr raunen, verzaubern und verklären.

 ?? FOTO: ENRICO NAWRATH/DPA ?? Andreas Schager wirkt in seinem zweiten Jahr als Parsifal souveräner, der stimmgewal­tige Männerchor unter der Leitung von Eberhard Friedrich begeistert­e wieder.
FOTO: ENRICO NAWRATH/DPA Andreas Schager wirkt in seinem zweiten Jahr als Parsifal souveräner, der stimmgewal­tige Männerchor unter der Leitung von Eberhard Friedrich begeistert­e wieder.

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