Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Wo Radeln reinstes Labsal ist

Die Tobelbachr­unde im Herzen des Westallgäu­s erquickt alle Sinne

- Von Christiane Pötsch-Ritter

Mit einer Radtour durch das Westallgäu startet heute unsere Serie Sommerzeit, die Sie nun wieder fünf Wochen lang mit anregenden Reportagen aus der Region und vielen nützlichen Tipps durch die Ferienzeit begleiten wird. Die Tobelbachr­unde ist die erste von sechs Fahrradtou­ren, die wir aus dem Bikeline-Radtourenb­uch „Bodensee-Allgäu – die schönsten Radtouren zwischen Konstanz und Kempten“ausgewählt haben und im Rahmen der Serie jeweils samstags auf dieser Seite vorstellen werden.

Natürlich ist es bequem, wenn so eine Radtour wie in diesem Fall gleich vor der eigenen Haustür beginnt. Dabei haben wir die Tobelbachr­unde im Herzen des Westallgäu­s mit Start und Ziel in Ellhofen nicht aus Bequemlich­keit ausgewählt, sondern und aus echter Begeisteru­ng. Auch wenn ortsunkund­ige Radler auf der 33 Kilometer langen Strecke vielleicht ein wenig Geduld brauchen. Denn den Tobelbach bekommt man auf der Tobelbachr­unde lange gar nicht zu Gesicht. Die etwas unglücklic­he Bezeichnun­g auf den Wegweisern ist aber wirklich das Einzige, was es hier eventuell zu bemängeln gäbe. Obwohl das Bächlein nicht ständig nebenher plätschert, ist diese Radeltour ein Labsal für Körper, Geist und Seele.

Pause im Biergarten

Stressig ist mitunter die Anfahrt vom Bahnhof Röthenbach. Gut zwei Kilometer führt die gut ausgebaute Straße durch den Wald, mit Leitplanke und ohne Radweg. Die langgezoge­ne Rechtskurv­e am Kieswerk gilt es zügig hinter sich zu bringen. Um dann aber umso entspannte­r in Ellhofen anzukommen, das wir an dieser Stelle auch nicht treffender beschreibe­n können, als schon vor einem halben Jahrhunder­t der Ortschroni­st Anton Maier: „Malerisch ruht es da, eingebette­t in grüne Matten, am Fuße zweier kleiner Höhen. Sein ernster, massiger Kirchturm mit den grünen Dachreiter­lein lugt ziemlich sorglos und heiter in die österreich­ischen und schweizeri­schen Berge hinein, die als alte Nachbarn, stamm- und sprachverw­andte Bekannte herübergrü­ßen.“Entspreche­nd heiter gestimmt geht die Fahrt weiter Richtung Simmerberg, bald im Schatten der stattliche­n Ahornallee – einfach zum Genießen. Schon kommt linkerhand am Ortseingan­g von Simmerberg der hoch aufragende Ziegelbau der Bräustatt samt Biergarten in den Blick. Hier zur Stärkung eine Rast einzulegen, bevor die Route bergan ein Stück der Alten Salzstraße folgt, ist möglich, aber nicht zwingend.

Blühende Bauerngärt­en

In unserem Radtourenb­uch, das jede Kurve akribisch beschreibt und jeden Ort in einem Höhenprofi­l säuberlich markiert, rangiert die Steigung unter „nennenswer­t stark“. Trotzdem bleibt das gute Gefühl, dass die insgesamt 526 Höhenmeter eigens für uns in bekömmlich­e Häppchen portionier­t wurden. Auch die vielen einladende­n Gasthäuser entlang der Route passen dazu. Und natürlich die schmucken Kirchen und Kapellen, die diese Landschaft mitprägen, für Besucher stets geöffnet, zwecks besinnlich­er Einkehr. Und zur Beruhigung für Radler, denen in diesen Wochen nicht selten ein Gewitter im Nacken sitzt.

Der erste Anstieg wird mit dem Blick auf die Nagelfluhk­ette belohnt, die hinter sanften grünen Hügeln in der Sonne glänzt. Bis zum nächsten erhabenen Aussichtsp­unkt vor der Abfahrt nach Stiefenhof­en, kann es noch eine Weile dauern, je nachdem, wie viel Zeit man auf dem Schlenker von Simmerberg über Oberreute vertrödelt, in kleinen Weilern, die Beule, Hopfen oder Isenbretsh­ofen heißen. Ewig schade wäre es, dort nicht abzusteige­n, um die blühenden Bauerngärt­en gebührend zu bewundern und ein bestimmt glückliche­s Huhn inmitten seiner Kükenschar.

Der Allgäuer Kräutergar­ten Artemisia liegt eigentlich etwas abseits der Route, aber ein kleiner Abstecher lohnt hier allemal, und sei es nur für ein Stück Käsekuchen in der Teestube. Die Hopfener Sennerei ist nach über 100 Jahren wirklich kein Geheimtipp mehr. Eher schon nebenan die liebevoll restaurier­te Pestkapell­e von 1650. Natürlich ist sie geöffnet, für alle Fälle steht auf dem Schild an der Tür, dass man in Haus Nr. 6 oder 7 einen Schlüssel bekommt.

So zufrieden, gestärkt, entspannt, fast selig beschwingt kann es weitergehe­n. In Stiefenhof­en wird man an diesem frühen Sonntagnac­hmittag sogar mit Blasmusik begrüßt. Dann aber zwischen „Rössle“und Kirche scharf links abbiegen und bequem dem Radweg Richtung Rutzhofen folgen, wo rechts schon wieder eine Abfahrt wartet, diesmal mit Ausblick weit hinein nach Oberschwab­en. An solch einem Tag könnte man sich schon mal fragen, womit hat man das verdient. Denn so einen richtig schweißtre­ibenden Anstieg gab es noch nicht.

Der kommt dann doch noch, aber erst hinter Grünenbach und der Eistobelbr­ücke, wo links vor der Bushaltest­elle die kleine Straße nach Gestratz abzweigt, und zwar über Untersteig und Obersteig. Nach dem knackigen Anstieg durch den Wald fühlt man sich in dieser stillen, freundlich­en Landschaft einmal mehr aller Sorgen enthoben. Fast unwirklich schön liegt Gestratz eingebette­t

zwischen den grünen Hügeln. Die Kirche St. Gallus mit den mittelalte­rlichen Fresken ist ein Kleinod und des Anschauens wert. Aber hier erwartet den Radler auch endlich der Tobelbach, der ihn nun ein Stück des Wegs über Oberschmit­ten nach Röthenbach begleitet. Am Friedhof entlang der steile Anstieg durchs Osterholz nach Ellhofen erfordert zum Schluss nochmal alle Kräfte. Unsere Empfehlung: Das Fahrrad abstellen und zum Ausklang ein Stündchen im Ellhofer Tobel verweilen und die Füße kühlen.

Eine genaue Beschreibu­ng dieser Tour mit detaillier­ter Karte und GPS-Daten gibt es in dem BikelineRa­dtourenbuc­h „Bodensee-Allgäu – Die schönsten Radtouren zwischen Konstanz und Kempten“, das im Verlag Esterbauer erschienen ist und 12,90 Euro kostet.

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FOTO: CHRISTIANE PÖTSCH-RITTER Bei der Tour durch die sanft hügelige Westallgäu­er Landschaft, wie hier bei Gestratz, geht es gefühlt mehr bergab als bergauf.

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