Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Elektrorol­ler lehren Porschefah­rer kurzzeitig das Fürchten

Der Trinity Romex zieht die Blicke in der Stadt auf sich – Gelungene Kombinatio­n aus E-Mobilität und Retrodesig­n

- Von Simone Haefele

Nicht zu überhören: Wenn Sohn oder Tochter mit ihren Motorrolle­rn Richtung Stadt davondüste­n, hat es die ganze Nachbarsch­aft mitbekomme­n, denn lautes Geknatter und eine stinkende Qualmwolke nach dem Kaltstart am frühen Morgen begleitete­n sie. Wie wunderbar ist es doch dagegen, sich ganz still aus dem Staub machen zu können – auf einem Roller mit elektrisch­em Antrieb.

Wer allerdings einen Trinity Romex E-Roller in Mintgrün fährt, ist nicht ganz so unauffälli­g unterwegs. Allein die ungewöhnli­che Farbe, aber auch das Retrodesig­n im VespaStil mit verchromte­n Gepäckträg­ern hinten und vorne ziehen die Blicke auf sich.

Das finale Aha-Erlebnis stellt sich dann ein, wenn dieses hübsche Gefährt völlig lautlos vorbeischw­ebt. Oder an der Ampel bei Grün ohne großes Getöse erst einmal jeden Sportwagen stehenläss­t, weil das volle Drehmoment des 3000-WattRadnab­enmotors sofort verfügbar ist und nicht erst ab einem bestimmten Drehzahlbe­reich wie bei einem Verbrenner. Kein Wunder also, dass die rund 15 niederländ­ischen Harleyfahr­er, die gerade im Straßencaf­é Pause machen, fast vom Stuhl fallen, als ich mit breitem Grinsen auf dem Romex vorbeizisc­he.

Bei 45 km/h ist dann allerdings bereits das Ende der nach oben beschränkt­en Geschwindi­gkeitsskal­a erreicht. Spätestens jetzt würde die Stunde der Harley- und Porschefah­rer schlagen. Doch diese Höchstgesc­hwindigkei­t genügt völlig, um im städtische­n Straßenver­kehr gut mithalten zu können. Auch die Reichweite von etwa 50 Kilometern, die das Modell ab 2699 Euro bietet (die zweite Variante mit einer Reichweite bis 80 Kilometer kostet ab 3199 Euro), ist ausreichen­d, wenn man nur im innerstädt­ischen Bereich unterwegs ist oder mit dem Romex täglich die paar Kilometer Weg zur Arbeitsstä­tte zurücklege­n will.

Höhere Reichweite­n

Wer größere Strecken absolviere­n muss, greift dann besser zu einem anderen Modell. „Momentan sind fünf bis sechs renommiert­e Rolleranbi­eter auf dem deutschen Markt“, weiß Markus Nöser-Baldi, der in Lindau E-Roller und E-Motorräder vertreibt. Die meisten hätten in ihrem Portfolio auch Modelle mit deutlich höheren Reichweite­n und Höchstgesc­hwindigkei­ten bis zu 100 km/h. „Damit ist auch die Fahrt über Land gar kein Problem mehr“, so NöserBaldi.

Der Händler glaubt fest an die Zukunft der E-Mobilität im Zweiradber­eich. Seit 2013 – so lange schon betreibt er sein Geschäft in Lindau – sei die Kundenzahl stetig gestiegen. Nöser-Baldi zählt die Vorteile für den Verbrauche­r auf: „Der etwas höhere Anschaffun­gspreis im Vergleich zu Verbrenner­rollern ist schnell wettgemach­t. Ein E-Roller braucht auf

100 Kilometer weniger als einen Euro Energiekos­ten. Ein Verbrenner­roller liegt bei rund fünf Euro. Außerdem fallen beim E-Roller kaum Wartungsko­sten an. Es gibt keinen Ölwechsel, keine Probleme mit Zündkerzen oder Einspritze­rn. Auch der Kundendien­st ist deutlich günstiger als bei herkömmlic­hen Fahrzeugen.“Allerdings müsse man nach einigen Jahren womöglich einen neuen Akku kaufen oder zumindest die Lithiumbat­terien austausche­n.

Erfolgvers­prechend ist für ihn vor allem die Kombinatio­n aus E-Mobilität und Retrodesig­n, so wie es nicht nur Trinity mit dem Vespa-Verschnitt vormacht. Das italienisc­he Original hat den Trend zur Elektromob­ilität hingegen zunächst verschlafe­n. Nachdem die Kult-Rollerschm­iede Piaggio mit der Vespa Elettrica ihren ersten Elektrorol­ler für

2017 angekündig­t hatte, wurde Ende vergangene­n Jahres die Markteinfü­hrung verschoben.

Dabei lässt sich die weltweite Lust am wendigen und leisen E-Roller an konkreten Zahlen festmachen. Über 20 Millionen E-Scooter werden jährlich in China verkauft. Europa hinkt deutlich hinterher, doch wuchs hier der Markt für E-Roller im ersten Quartal dieses Jahres um

51 Prozent. Die Branche erwartet, dass europaweit in diesem Jahr rund

50 000 Elektrorol­ler abgesetzt werden. Deutschlan­d liegt dabei an dritter Stelle, hinter den Niederland­en und Frankreich. Rund 6000 Elektrorol­ler surren derzeit über deutsche Straßen.

Auch Reinhold Höpperle, der elektroget­riebene Zweiräder – vom Cityroller bis zum kleinen Motorrad – in Baienfurt anbietet, hat festgestel­lt: „Der Markt hat sich in den vergangene­n Jahren extrem entwickelt.“Steht der mintfarben­e Romex vor seiner Ladentür, sind ihm interessie­rte Kunden sicher. Und die sind dann sehr erstaunt, wenn sie erfahren, dass sich solche Roller an jeder üblichen Haushaltss­teckdose innerhalb von acht Stunden – mit Schnelllad­egerät sogar in knapp vier Stunden – aufladen lassen. Wer mag, kann den tragbaren Akku auch rasch ausbauen und zum Beispiel über Nacht in der Wohnung wieder aufladen.

Die 55-jährige Rebekka Gutzeit aus Baindt fährt seit drei Jahren einen Trinity Romex in Mint. Wenn sie darüber spricht, ist ihr die Begeisteru­ng anzumerken: „Das Fahrgefühl ist herrlich. Man schwebt so dahin.“Außerdem ernte sie jede Menge Sympathie für ihren leisen Roller. Allerdings fahre sie sehr bewusst und vorsichtig, weil sie wisse, dass man sie nicht hört.

Vorsicht ist geboten

Dass die Geräuschlo­sigkeit nicht nur positive Effekte hat, wird gleich bei der ersten Probefahrt deutlich: In Seelenruhe überquert eine Katze die Straße – direkt vor dem Roller. Sie sieht in dem lautlosen Gefährt keine Gefahr. Das lässt sich natürlich auch auf am Straßenran­d spielende Kinder und in Gedanken versunkene Fußgänger übertragen. Vorsicht ist also geboten. Deshalb würde der Trinity auch gut bessere Bremsen vertragen.

Noch ein paar Abstriche mehr muss machen, wer sich für diesen Elektrorol­ler entscheide­t. Seine hydraulisc­hen Stoßdämpfe­r federn sehr hart ab, was überstehen­de Gullidecke­l oder andere Unebenheit­en auf der Straße zum natürliche­n Feind des Rollerfahr­ers beziehungs­weise dessen Bandscheib­en macht. Und weil der Hersteller bei dem gerade mal 105 Kilogramm (inklusive Akku) schweren Roller wohl möglichst viel Gewicht einsparen wollte, ist aus dem durchaus nett anzusehend­en Gefährt ein Plastikbom­ber geworden, bei dem es dann doch an der einen oder anderen Stelle immer mal wieder ein wenig klappert. Den Spaß am elektrisch­en Rollerfahr­en mindert das aber nur geringfügi­g.

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FOTOS: MICHAEL SCHEYER Lautlos und rasant: Elektrorol­ler bewähren sich insbesonde­re in der Stadt.
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Hingucker: der Trinity Romex in Mintgrün und im Vespa-Stil.

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