Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Sigmaringen ist nun der einzige Kreis ohne Biotonne
Womöglich könnte es in Zukunft auf ein ganz anderes Biomüll-Erfassungssystem hinauslaufen
SIGMARINGEN - Der Landkreis Karlsruhe und der Alb-Donau-Kreis trennen künftig ihren Bio- vom Restmüll. Damit ist der Landkreis Sigmaringen nunmehr der einzige Landkreis in Baden-Württemberg, in dem Bürger ihren Biomüll über die Restmülltonne entsorgen. Der Druck vom Umweltministerium auf den Kreis dürfte sich somit erhöhen.
Im vergangenen Jahr hatte der Kreis durch die Presse von der Aufforderung des Umweltministeriums erfahren, dass das Land alle Landkreise dazu bringen will, flächendeckend eine Biotonne einzuführen. Zwischen dem Landkreis Sigmaringen und dem Land gibt es ebenfalls seit Jahren Unstimmigkeiten, was die Einführung einer Biotonne angeht: Laut Berechnungen des Kreises wäre es unwirtschaftlich, eine Biotonne einzuführen. Der Landkreis Sigmaringen kämpft daher um eine Ausnahmegenehmigung. Im Jahr 2016 hatte die Kreisverwaltung ihre Argumente gegen eine getrennte Biomüllerfassung schriftlich beim Land eingereicht. Nun gibt es Neuigkeiten: Eine Alternative könne auch ein gänzlich anderes Erfassungssystem sein.
Studie zeigt, dass wenig Bioabfall im Restmüll ist
Bereits 2013 wurde der Landkreis Sigmaringen dazu aufgefordert, die braune Tonne einzuführen. Eine Studie von 2013 zeigte, dass im Kreis Sigmaringen bereits große Mengen an Bio- und Grünabfällen, beispielsweise durch Kompostierung, getrennt erfasst werden. Die Restmenge an Bioabfall im Restmüll beträgt im Kreis noch 6,6 Kilogramm pro Jahr und Einwohner – selbst bei Kreisen, die ihren Biomüll getrennt erfassen, sind es 15 bis 20 Kilogramm. Zudem drohen laut einer weiteren Studie aus dem Jahr 2014 erhebliche Mehrkosten zwischen 1,5 und 2,15 Millionen Euro, die eine Erhöhung der Abfallgebühr um mindestens 50 Prozent zur Folge hätten.
Laut Kreis-Sprecher Fabian Oswald ist die getrennte Biomüllsammlung bundesweit ein Thema. Nach einem Bericht der Fachzeitschrift EUWID von März hätten von den rund
400 Kreisen und Kreisfreien Städten
26 keine getrennte Biomüllsammlung eingeführt. „Der Landkreis Sigmaringen möchte von der Ausnahmeregelung im Kreislaufwirtschaftsgesetz Gebrauch machen. Hierzu haben wir unsere Argumente in verschiedenen Gesprächen dem Land vorgetragen. Im Oktober vergangenen Jahres zeigte eine Analyse des gesammelten Restmülls, dass im Landkreis Sigmaringen deutlich weniger biogene Stoffe im Restmüll enthalten sind als in vielen Landkreisen, die eine Biotonne eingeführt haben.“
Das Land habe Anfang Juni seine Argumente zu dem Thema erstmals schriftlich vorgetragen. „Das Land hat signalisiert, dass die Vorgabe zur getrennten Erfassung von Biomüll auch durch andere Erfassungssysteme als eine Biotonne erfüllt werden kann. In dieser Entscheidung wäre der Landkreis frei“, so Oswald. Andere Landkreise würden zwischenzeitlich überlegen, beispielsweise Annahmestellen für Biomüll auf den Recyclinghöfen einzurichten.
Striktere Vorgaben gelten ab dem Jahr 2023
Das Sigmaringer Landratsamt prüft und bewertet nun inhaltlich und rechtlich das Schreiben vom Land. Anschließend will die Behörde entscheiden, wie sie weiter verfährt. Einfluss hierauf hat auch eine Entscheidung des Europäischen Rates vom 22. Mai. Auf EU-Ebene wurde das EU-Kreislaufwirtschaftspaket beschlossen, das striktere Vorgaben für die getrennte Sammlung von Biomüll enthält, die bis Ende 2023 umgesetzt werden müssen. „Wir gehen davon aus, dass sich in den kommenden Jahren die Vorgaben in Bezug auf die Pflicht zur getrennten Sammlung von Biomüll weiter verschärfen werden“, erklärt Fabian Oswald.
Der Kreistag wird in seiner Sitzung nach der Sommerpause im Oktober über die geänderten Rahmenbedingungen beraten. Es soll dabei auch entschieden werden, wie der Landkreis mit dieser veränderten Situation umgehen soll.