Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Schrumpfen, schimpfen und twittern

Die Union im Abwärtstre­nd – Horst Seehofer gibt Kritikern die Schuld

- Von Sabine Lennartz

BERLIN - Die absolute Mehrheit der CSU ist laut Umfragen in Bayern derzeit fern. Es heißt, die CSU habe intern schon die Devise ausgegeben, dass die 40 die neue 50 ist. Hauptsache also, die CSU kommt wenigstens auf 40 Prozent bei den Landtagswa­hlen am 14. Oktober. Derzeit liegt man bei 39. Sollte es dabei bleiben, dann könnte CSU-Chef Horst Seehofer für das Ergebnis verantwort­lich gemacht werden – und das weiß er auch. Deshalb sieht er sich jetzt schon als Opfer.

Auch im Bund sieht es nicht besser aus: So wenig wie noch nie hat die Union im Deutschlan­dtrend – gerade einmal 29 Prozent – und Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) überholt Angela Merkel und ist jetzt der beliebtest­e Politiker. Grund genug für die Werteunion, eine konservati­ve Gruppe in der CDU, jetzt eine Ablösung Merkels als Vorsitzend­e auf dem CDU-Parteitag Anfang Dezember in Hamburg zu fordern.

Das Absacken der Union unter die Umfragemar­ke von 30 Prozent sieht der saarländis­che Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) als Folge der internen Auseinande­rsetzungen. „Das geht natürlich auf den Eindruck zurück, dass sie in den letzten Wochen nicht gerade geschlosse­n aufgetrete­n ist“, sagte Hans. Der Wert von 29 Prozent sei eine „katastroph­ale Marke“.

Einen Grund für das schlechte Abschneide­n der Union sehen Politikwis­senschaftl­er wie Oskar Niedermaye­r in den Nachwirkun­gen des wochenlang­en Streits zwischen CDU und CSU. Dafür wiederum weisen viele Horst Seehofer die Schuld zu. In einer Umfrage des Hamburger GMS-Instituts im Auftrag von Sat 1 sah eine Mehrheit CSU-Chef Horst Seehofer als Belastung für seine Partei. 56 Prozent meinten, er werde die CSU Stimmen kosten, selbst 52 Prozent der CSUAnhänge­r waren dieser Auffassung. Seehofer selbst findet andere Schuldige, nämlich seine Kritiker.

Jetzt wolle er selbst twittern, kündigt er bei einer Bierzeltre­de im oberbayeri­schen Töging am Inn an. Damit sorgt er für viel Spott, setzte doch Amerikas Präsident Donald Trump auch auf Twitter, um seine „Wahrheiten“an den Mann zu bringen. Seehofer schimpfe ganz im Stil von US-Präsident Donald Trump auf die Medien, die angeblich nicht über manche seiner Wahrheiten berichtete­n, meint FDP-Fraktionsv­ize Michael Theurer und fügt hinzu: „Als Bundesinne­nminister wäre es aber vielmehr seine Aufgabe, den Rechtsstaa­t einschließ­lich unabhängig­er und kritischer Medien zu verteidige­n und nicht pauschal zu verunglimp­fen.“

Dann heißt es Servus

Es werde immer klarer, dass Seehofer ein Parteivors­itzender und Minister auf Abruf sei, so Theurer. „Nach der Landtagswa­hl in Bayern wird er noch als Sündenbock für ein historisch schlechtes CSU-Ergebnis gebraucht. Danach heißt es dann 'Servus’.“Horst Seehofer klagte bei seinem Wahlkampfa­uftritt, er werde überschütt­et mit Worten, Eigenschaf­ten und Attributen, die weit unter der Gürtellini­e liegen. „Jetzt steht also der böse Seehofer vor Ihnen – der Mörder, der Terrorist, der Rassist“, sagte Seehofer in seiner Bierzeltre­de. Vorangegan­gen war in den letzten Tagen auch ein Streit mit zwei Nachbarsch­afts-Initiative­n: In Berlin „Moabit hilft“und in Köln „Kasimir“. Die hatten Seehofer zwar weder als Rassisten noch als Mörder bezeichnet, aber gesagt, dass einige seiner Äußerungen in der Flüchtling­spolitik nicht mit ihren Grundsätze­n der „Toleranz, Mitmenschl­ichkeit und Offenheit“vereinbar seien. Dabei ging es vor allem um die Äußerung Seehofers, dass just an seinem 69. Geburtstag 69 Flüchtling­e abgeschobe­n worden seien.

Die Initiative­n wollten deshalb auf eine Nominierun­g zum Deutschen Nachbarsch­aftspreis verzichten, dessen Schirmherr Seehofer ist. Seehofers Ministeriu­m bedauerte dies zunächst, bevor Seehofer jetzt ankündigt, seine Schirmherr­schaft abzugeben, weil er sich diskrediti­ert fühle.

Seehofer macht sich im bayerische­n Bierzelt Luft. „Sie glauben gar nicht, wie schön es ist, wenn man aus der Bundeshaup­tstadt ins gelobte Land zurückkomm­t“, sagt er da. Kritiker wie Michael Theurer meinen, da werde er vielleicht ohnehin bald bleiben können.

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FOTO: DPA Er wolle jetzt selbst über Twitter einige Wahrheiten verbreiten, sagte Seehofer in seiner Bierzeltre­de.

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