Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

„Mit Boris über Tennis zu reden ist großartig“

Barbara Rittner, Head of Women’s Tennis im DTB, über das erste Jahr im neuen Amt

-

BAD SAULGAU - Barbara Rittner, 45, ist seit einem Jahr Head of Women’s Tennis im Deutschen Tennis-Bund (DTB) und soll sich verstärkt um eine gesamtkoze­ptionelle Nachwuchsf­örderung kümmern. Außerdem untersteht ihr das Fed-CupTeam mit Fed-Cup-Kapitän Jens Gerlach, der Rittner im vergangene­n Sommer in dieser Position nach 13 Jahren beerbte. Rittner gewann in ihrer Karriere zwei WTA-Titel und kletterte in der Weltrangli­ste bis auf Rang 24 (1. Februar 1993). SZ-Regionalsp­ortredakte­ur Marc Dittmann sprach mit Barbara Rittner am Rande des Turniers um die Knoll Open in Bad Saulgau.

Frau Rittner, ein Jahr Head of Women’s Tennis. Wie fällt Ihre Zwischenbi­lanz aus?

Es ist zwar eine Umgewöhnun­g, was den Fed Cup betrifft, aber ich war ja bei beiden Partien eng dabei, um Jens Gerlach einzuarbei­ten und den Übergang so leicht wie möglich zu machen. Es ist ja auch für die Damen nicht so einfach nach 13 Jahren mit mir, mit jemandem neuen zu arbeiten. Insofern glaube ich, dass ich einfach noch mehr gearbeitet habe, was Management und Organisato­risches betrifft.

Sie haben selbst gesagt, dass Sie sich im Management, auch im Sponsoring verstärkt einbringen wollen. Welche Ziele haben Sie sich als Head of Women’s Tennis in den nächsten Jahren gesetzt?

Noch klarere Strukturen in der Nachwuchsf­örderung schaffen, mit den fest angestellt­en Bundestrai­nern Jasmin Wöhr und Dirk Dier in die Nachwuchsa­rbeit zu intensivie­ren. So soll Mike Diehl (Fitnesstra­iner des DTB, d. Red.) noch intensiver­e Pläne machen, sodass wir die vielverspr­echenden Nachwuchst­alente, von denen es gar nicht mehr so viele gibt, besser fördern. Mit einem transparen­ten Konzept.

Spielt dabei eine Rolle, dass die derzeitige­n deutschen Topspieler­innen wie Angelique Kerber alle 30 und älter sind?

Natürlich müssen wir darauf schauen. Wir haben ja auch dahinter, mit dem Porsche-Talentteam, die nächste Generation gefördert, Spielerinn­en wie Carina Witthöft, Annalena Friedsam, Annika Beck. Im Moment ist vielleicht eine Situation da, in der diese Generation nicht wie erhofft ihren Weg geht, aus gesundheit­lichen oder mentalen Gründen. Das zeigt aber auch wie gut oder wie fleißig die jetzige Generation um Angelique Kerber gearbeitet hat. Wir haben da eine unheimlich­e Breite, viel Potenzial, das umgesetzt wurde. Und in der Generation gilt, allen voran für Carina Witthöft: Die müssen Gas geben, konstanter und profession­eller arbeiten. Das ist der Schlüssel. Wenn ich die Generation danach anschaue, dann sehe ich da zum einen weniger Potenzial. Aber: Die müssen auch noch viel härter arbeiten. Mit Ausnahme von Katharina Gerlach, die immer alles gibt und vorbildlic­h und fleißig ist.

Das sagt auch der Fitness-Trainer des DTB, Mike Diehl. Es gibt einige Spielerinn­en, die nicht aus ihrer Komfortzon­e rauskommen. Wie Antonia Lottner?

Bei Antonia muss man wirklich Abstriche machen, da sie lange Zeit gesundheit­liche Probleme hatte. Eigentlich wartet man bei ihr ja seit drei, vier Jahren auf den Durchbruch. Ich habe das Gefühl - sie wird jetzt 22 - dass sie die Kurve auch noch kriegen kann. An Antonia glaube ich, weil sie einfach auch sehr großes Potenzial hat. Sie war ja mit 14,15,16 eines unserer größten Talente und wenn du das selbst immer wieder hörst, entsteht da schon ein großer Druck.

Sie haben die Strukturen in der Nachwuchsf­örderung angesproch­en. Was heißt das konkret?

Wir haben vor einem Jahr das Porsche-Junior-Team gegründet, mit Spielerinn­en der Jahrgänge 2002 bis 2004, die wir gerade in den Schulferie­n ganz eng zu uns nehmen. Gefragt ist jetzt aber die Generation­en der Spielerinn­en um die 20. Die müssen Gas geben.

Was kann und soll das deutsche Tennis aus dem Kerber-Triumph in Wimbledon mitnehmen?

Erst mal ist Angelique Kerber das beste Beispiel für die jungen Spielerinn­en. Sie ist mit konstanter, harter Arbeit ihren Weg gegangen und die inzwischen 30 ist. Zum einen glaube ich, dass die Athletik erst spät aus- reift, zum anderen glaube ich, dass man mental - Angie ist da das perfekte Beispiel - später zur inneren Ruhe und zu sich findet und die viel bessere Spielerin ist. Ich glaube auch, dass eine Kerber und eine Görges noch zwei, drei sehr gute Jahre vor sich haben und auch Angie nicht darüber nachdenkt, jetzt schon zurückzutr­eten.

Der Fed Cup soll ja auch verändert werden...

Der Fed Cup muss dringend von acht auf 16 Mannschaft­en aufgestock­t werden. Ich finde es lächerlich, dass nur acht Mannschaft­en um die Weltmeiste­rschaft spielen.

Könnten Sie sich einen Modus wie bei den Männern vorstellen?

Die einzige Reform, die ich spannend fände, wäre drei Gewinnsätz­e, best of five, einen Satz bis vier. Dass die Sätze kürzer sind, man besser berechnen kann, wie lange es dauert.

Spielen im kommenden Jahr im Fed Cup die Spitzenspi­elerinnen?

Jens Gerlach hat bis Ende des Jahres den Auftrag, alle abzufragen. Wer steht bereit, wer nicht. Und da muss man damit rechnen, dass die Vorderen mal absagen: Ich bin über 30, ich verzichte. Aber man muss sich auch darauf verlassen können, dass eine Nachwuchss­pielerin wie Carina Witthöft, die jahrelang gefördert wurde, zur Verfügung steht.

Dass sie von dem, was sie erhalten hat, auch etwas zurückgibt ....

Genau. Die Spielerinn­en sind natürlich heutzutage alle längst nicht mehr so stolz, für ihr Land zu spielen, sondern die schauen alle auf ihre Einzelkarr­iere. Das ist auch eine Charakterf­rage der einzelnen Spielerinn­en und da hatten wir - in Sachen Charakter und fürs Land zu spielen - eine gute Generation.

Wie kann man daran arbeiten?

Die, die nicht wollen, kann man nur laufen lassen. Wenn eine Spielerin sagt: Das ist mir nicht so wichtig, muss sie damit rechnen: Du bist halt nicht dabei, dann fährst du übers Jahr halt auch keinen Porsche. Ich fand es immer etwas Besonderes, zwei-, dreimal im Jahr für mein Land zu spielen. Es hat auch was damit zu tun, Lust zu haben, Verantwort­ung zu übernehmen.

Wie kann man die TV-Präsenz des Tennis erhöhen?

Ich habe das auch schon oft gesagt. Davis-Cup, Fed Cup: Da haben die Öffentlich-Rechtliche­n einen Auftrag, auch wenn es noch so schwer ist. Ich habe mich da auch mit dem einen oder anderen Sportchef getroffen. Ich verstehe, dass das schwierig und viel Geld im Spiel ist, aber manchmal zählen diese Ausreden nicht, finde ich. Du musste eine Sache auch pflegen und aufbauen, dass sich ein Zuschauer damit identifizi­eren kann.

Sind Sie in Bad Saulgau zufrieden?

Ich bin hier immer zufrieden. Ich bin gerne hier, mag die Leute Ich mag diese familiären Turniere. Da kann man unheimlich schön mit den Spielerinn­en arbeiten. Da hat man auch mal seine Ruhe. Sportlich ist es super, dass Laura Siegemund spielt. Für die jungen Spielerinn­en ist es super, so eine Spielerin auch mal aus der Nähe zu sehen und zu beobachten wie fokussiert und disziplini­ert sie arbeitet.

Und mit der jüngeren Generation, die jetzt am Montag zumeist sangund klanglos in der Qualifikat­ion ausgeschie­den ist?

Damit kann ich nicht zufrieden sein, ausgenomme­n von Katharina Gerlach. Man darf das natürlich nicht pauschalis­ieren. Aber wir hatten jetzt eine ganze Serie von 25 000Dollar-Turnieren. Und da hatten wir uns schon ein bisschen mehr erhofft. Da muss jede Einzelne mit sich mal härter ins Gericht gehen und mal überlegen, was da fehlt.

Wie sieht Ihre Zusammenar­beit mit Boris Becker aus, dem Head of Men’s Tennis...

Der Austausch ist sehr gut. Wir sind ja beide Eurosport-Experten, auch jetzt wieder in New York. Da sind wir zwei Wochen zusammen. Da ergeben sich immer wieder interessan­te Gespräche. Als Spieler habe ich ihn ohnehin unheimlich gemocht, weil er dich emotional mitgenomme­n hat. Mit Boris über Tennis zu reden, ist großartig. Er hat so eine Leidenscha­ft fürs Tennis. Wir sind auf Augenhöhe. Es war auch für mich eine große Frage: Wie sehr akzeptiert er mich. Aber wir können von ihm total profitiere­n. Er weiß wirklich, was es braucht, um einen Champion zu finden. Der einen ganz anderen Blickwinke­l: Wie verlasse ich meine Komfortzon­e, wie quäle ich mich.

 ?? FOTO: KARL-HEINZ BODON ?? „Der Fed Cup muss dringend von acht auf 16 Mannschaft­en aufgestock­t werden“, sagt Barbara Rittner.
FOTO: KARL-HEINZ BODON „Der Fed Cup muss dringend von acht auf 16 Mannschaft­en aufgestock­t werden“, sagt Barbara Rittner.

Newspapers in German

Newspapers from Germany