Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Wenn Pamina zur Zirkusprinzessin wird
„Die Zauberflöte“gerät in Salzburg zu einer fantasielosen Nummernrevue
SALZBURG - Mozarts „Zauberflöte“zur Festspielzeit in der Geburtsstadt des Komponisten: Das zieht Familien mit kleinen Mädchen im Tüllkleid ebenso an wie Damen in edler Robe. Doch selten hat man eine Aufführung von Mozarts gleichermaßen bekanntester wie rätselhaftester Oper so ernüchtert verlassen. Nicht wegen der fast durchweg überzeugenden Sänger und der Wiener Philharmoniker, die unter der flotten musikalischen Leitung von Constantinos Carydis manche Überraschungen bringen, sondern wegen der Regie von Lydia Steier im aufwändigen Bühnenbild von Katharina Schlipf.
Dabei ist die Ursprungsidee der gebürtigen Amerikanerin, die seit einigen Jahren in Berlin lebt, ganz reizvoll: Zur Ouvertüre sitzt eine Familie zu Tisch, Großvater, Eltern, drei Kinder, drei Serviermädchen, allerlei Handwerker und Lieferanten kommen. Der Vater verlässt das Haus, die Mutter bekommt einen Wutanfall, der Großvater erzählt den Kindern eine Gutenacht-Geschichte. Hohe Räume mit milchigen Glasscheiben und das Interieur verorten das Geschehen in einer Wiener Stadtwohnung vor dem Beginn des Ersten Weltkriegs mit großer Küche im Souterrain. Die Figuren dieses Vorspiels werden – natürlich – zum Personal der Oper, die Geschichte heißt „Die Zauberflöte“.
Lydia Steier führt einen Erzähler ein. Klaus Maria Brandauer ist der liebevoll zugewandte Großvater im Lehnstuhl, die Enkel, zugleich die reizenden Darsteller und Sänger der drei Knaben, erleben die Geschichte in ihrer Fantasie. Dadurch werden die Dialoge, die manchmal mühsam sein können, die aber auch den herzerfrischenden Charme eines Papageno vermitteln, gekürzt. Der Großvater erzählt nicht nur, er greift auch ein, kommentiert, wird zum Regisseur.
Doch die Figuren aus dem Märchenbuch der Kinder bleiben holzschnittartig, sie entwickeln sich nicht: Prinz Tamino ist steif wie ein Zinnsoldat in seiner Paradeuniform, Papageno ist und bleibt ein Metzgergesell und darf keine Vögel fangen, die Königin der Nacht erscheint mit gehörntem Kopfputz und weißem Kleid. Und die Welt der vergeistigten Priester hat die Regisseurin kurzerhand in den Zirkus verlegt, wo Sarastro als Zauberer auftritt. Pamina, die er ja entführt hat, steckt somit auch im Kostüm einer leicht derangierten Zirkusprinzessin, ebenso wie die anmutige Papagena.
Keine Erlösung in Sicht
Doch wohin dann mit der Weisheitslehre Sarastros, den Prüfungen, der Feuer- und Wasserprobe, der Liebe? Die Priester mit den Freimaurersymbolen sind für die Buben seltsame Gesellen, der Großvater mahnt mit Shakespeare zu Toleranz. In die fantastische Zirkuswelt mit Artisten, Tieren und Clowns bricht die Realität des ausbrechenden Weltkriegs, die drei Knaben bekommen Angst. Schließlich fährt die Königin der Nacht auf einem Schützenpanzer auf die Bühne. Kein Zauber, keine Erlösung aus der Gefahr.
Das edle Paar aber, Christiane Karg als Pamina und Mauro Peter als Tamino, überzeugt musikalisch mit warmen, schlanken Stimmen, assistiert von den drei harmonisch intonierenden drei Knaben aus den Reihen der Wiener Sängerknaben. Adam Plachetka ist ein sympathischer Papageno, Michael Porter ein höchst beweglicher Monostatos. Warum Bariton Matthias Goerne sich in die tiefen Bass-Regionen des Sarastro begibt, bleibt ein Rätsel, er hat schlicht die Tiefe nicht. Doch Constantinos Carydis, der sonst zu musikalischem Übermut neigt, lässt die Wiener Philharmoniker wenigstens zu seiner Begleitung in sanftem Pianissimo spielen.