Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

„Bundesregi­erung trägt entscheide­nde Mitverantw­ortung“

FDP-Fraktionsc­hef Lindner befürchtet, dass der Fall Sami A. der AfD Wähler bringt

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BERLIN - Der abgeschobe­ne Gefährder Sami A. muss laut Entscheidu­ng des Oberverwal­tungsgeric­hts Münster wieder nach Deutschlan­d zurückgeho­lt werden. Andreas Herholz sprach mit Christian Lindner, dem Vorsitzend­en der FDP-Bundestags­fraktion, über die aktuelle Debatte.

Haben hier Politik und Behörden die Grenzen des Rechtsstaa­ts überschrit­ten?

Nein. Die Grenzen des Rechtsstaa­ts sind immer irgendwo Gegenstand von Streit. Darüber entscheide­n Gerichte, deren Beschlüsse zu akzeptiere­n sind. Aktuell halte ich es für den eigentlich­en Skandal, dass die Bundeskanz­lerin im Bundestag mit großer Geste die Abschiebun­g des Mannes gefordert hat, ihre Regierung dann die NRW-Koalition mit unserem FDP-Minister aber allein gelassen hat. Merkel, Seehofer und Maas haben es versäumt, die notwendige­n Zusicherun­gen der tunesische­n Behörden einzuholen, dass Sami A. nicht gefoltert wird. Deshalb trägt die Bundesregi­erung entscheide­nde Mitverantw­ortung, dass das Oberverwal­tungsgeric­ht entschiede­n hat. Die Richtersch­elte des CDU-Innenminis­ters von Nordrhein-Westfalen soll nur von der Rolle Merkels ablenken.

Welche Konsequenz­en müssen gezogen werden?

Gerichte entscheide­n auf der Basis von Gesetzen und Regeln, die demokratis­ch verändert werden können. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass sich ein solcher Vorgang nicht wiederhole­n kann. Wenn jemand rund um die Uhr überwacht werden muss, weil er sich nicht an unsere freiheitli­ch-demokratis­che Grundordnu­ng halten will, dann muss er in sein Heimatland abgeschobe­n werden können, in dem viele Deutsche Urlaub machen. Ich fürchte, dass sich manche nach diesem Fall der autoritäre­n AfD zuwenden wollen. Das wäre falsch, denn der Rechtsstaa­t sollte nicht ausgehebel­t, sondern konsequent angewandt und nötigenfal­ls reformiert werden. Die FDP ist die Alternativ­e für Demokraten.

Ihr Parteifreu­nd Joachim Stamp, Flüchtling­sminister in NordrheinW­estfalen, trägt die politische Verantwort­ung für den Fall und hat die Justiz ausgebrems­t. Muss er nach den Wirrungen um Sami A. nicht zurücktret­en?

Nein, unterschie­dliche Rechtsauff­assungen kommen immer wieder vor. Das Bundesverf­assungsger­icht hat im vergangene­n Jahr die Kernbrenns­toffsteuer von Wolfgang Schäuble verworfen. Wo waren da die Rücktritts­forderunge­n? Der FDP-Flüchtling­sminister Joachim Stamp hat die politische Verantwort­ung übernommen. Das ist ehrenvoll. Er wird angegriffe­n, weil er gehandelt und entschiede­n hat. Die Untätigkei­t von CDU, CSU und SPD im Bundestag wäre eigentlich der Grund für Kritik. Wir müssen jetzt alles tun, dass Gefährder wie Sami A. künftig schnell und konsequent abgeschobe­n werden können. Warum ist Tunesien immer noch kein sicheres Herkunftsl­and? Warum verweigern sich dem die Grünen? Warum dauern die Abschiebev­erfahren bei uns so lange? Warum werden wir solche Gefährder wie Sami A. nicht los? Wir müssen die richtigen Menschen abschieben. Momentan schieben wir oft die Falschen ab.

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