Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Wer Arbeit hat, soll bleiben dürfen

Die Debatte um einen Spurwechse­l für abgelehnte Asylbewerb­er spaltet die Union

- Von Sabine Lennartz

BERLIN – Die Eckpunkte gibt es bereits – und im Herbst will die Bundesregi­erung ein Einwanderu­ngsgesetz für Fachkräfte vorlegen, das zwischen Arbeitsmin­isteirum, Wirtschaft­sministeri­um und Innenminis­terium abgestimmt ist. Unstrittig zwischen den Koalitions­partnern ist, dass mit diesem Gesetz festgelegt werden soll, wer eine Chance hat, nach Deutschlan­d einzuwande­rn. Da geht es um Alter, Fachkenntn­isse, Deutschken­ntnisse und ein vorliegend­es konkretes Arbeitsang­ebot.

Doch was ist mit Flüchtling­en, die schon in Deutschlan­d sind? Immer wieder machen sich Arbeitgebe­r dafür stark, dass sie „ihren“Flüchtling behalten dürfen. Der Anteil der Flüchtling­e mit abgeschlos­sener Berufsausb­ildung liegt bei rund 20 Prozent.

SPD und FDP halten es für richtig, einen „Spurwechse­l“zwischen Asylverfah­ren und neuem Einwanderu­ngsrecht vorzusehen. Auch der grüne Sozialmini­ster Manfred Lucha aus Baden-Württember­g setzt sich für einen mit einer Stichtagsr­egelung verbundene­n Spurwechse­l ein. Das heißt, dass man jene Asylbewerb­er, die schon länger in Deutschlan­d und gut integriert sind, eine Chance auf Einwanderu­ng haben.

Kauder gegen Spurwechse­l

In der Union ist der schleswig-holsteinis­che Ministerpr­äsident Daniel Günther (CDU) mit der Forderung nach einem Spurwechse­l vorgepresc­ht. Viele Reaktionen darauf waren skeptisch, an vorderster Front von Unionsfrak­tionschef Volker Kauder. Es sei nicht zielführen­d, wenn abgelehnte Asylbwerbe­r im Land bleiben könnten, die Arbeit haben. Auch die CSU sprach sich dagegen aus. Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann sagte der „Süddeutsch­en Zeitung“, er lehne es ab, abgelehnte­n Asylbewerb­ern den Zugang zum Arbeitsmar­kt zu erleichter­n. Sonderrege­lungen könne er sich nur für den Pflegebere­ich vorstellen. Und der Wirtschaft­srat der CDU warnt davor, es dürfe keine weiteren Anreize für irreguläre Zuwanderun­g geben.

Ganz anders hat sich die Integratio­nsbeauftra­gte der Bundesregi­e- rung, Annette Widmann-Mauz positionie­rt. Sie kommt aus Baden-Württember­g und kennt den Wunsch aus der Wirtschaft gut, keine gut integriert­en Arbeitskrä­fte wieder abzuschieb­en. Trotzdem war es eine klei- ne Überraschu­ng, dass sie klar Stellung bezieht und sich für einen möglichen Spurwechse­l ausspricht. Man kann davon ausgehen, dass sie dies nicht ohne Rücksprach­e mit der Kanzlerin getan hat.

Widmann-Mauz sagt der „Schwäbisch­en Zeitung“: „Jeder versteht unter dem Schlagwort Spurwechse­l etwas anderes. Es muss um Menschen mit Duldung gehen, die bereits hier arbeiten, Deutsch sprechen und sich nichts zu Schulden haben kommen lassen. Sonst schaffen wir einen neuen Einwanderu­ngsweg über das Asylrecht. Wir müssen deshalb im Zuge des Fachkräfte­einwanderu­ngsgesetze­s über eine Stichtagsr­egelung sprechen für diejenigen, die bereits hier sind.“

Auch Rainer Brüderle, heute Präsident des bpa-Arbeitgebe­rverbands, der für die privaten Anbieter in der Pflegebran­che steht, und ehemals FDP-Vizechef, macht sich für einen Spurwechse­l stark. „Wir brauchen diesen Spurwechse­l. Denn niemand in Deutschlan­d kann es sich leisten, auf Fachkräfte zu verzichten.“Für Brüderle ist es „ein Unding“, wenn Menschen mitten aus einer Altenpfleg­eausbildun­g heraus abgeschobe­n werden, obwohl überall in der Republik Altenpfleg­efachkräft­e händeringe­nd gesucht werden. „Wer nun weiterhin Menschen abschiebt, die sich in Ausbildung befinden oder hier bereits einer sozialvers­icherungsp­flichtigen Beschäftig­ung nachgehen, der handelt völlig gegen die Interessen unseres Landes.“

Vielleicht aber beruht die heftige Debatte um den sogenannte­n „Spurwechse­l“auch nur auf einem Missverstä­ndnis. Schließlic­h soll nicht generell ermöglicht werden, dass jemand, der in Deutschlan­d Asyl sucht und abgelehnt wird, einen zweiten Anlauf über das Fachkräfte­einwanderu­ngsgesetz nehmen kann. Sondern es geht nur um die, die schon da sind. Für die werde man über eine Stichtagsr­egelung reden, so Annette Widmann-Mauz.

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FOTO: DPA Ein Geflüchtet­er aus Eritrea bei der Arbeit bei einem Stuttgarte­r Kabelherst­eller.

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