Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Veringer Gemeinderat befürwortet Anlage
Bei Abstimmung gibt es nur eine Enthaltung
KETTENACKER - Birgit Steinhart wohnt in einem gepflegten Einfamilienhaus mit einem Flur, der in Weißund Goldtönen glänzt. Sie hat es sich schön gemacht im ruhigen Kettenacker. Hat Haus und Grundbesitz, wie so viele hier. Und sie will das alles so bleibt: die gesunde Ruhe, die Natur um sie herum. Die Pläne des Energieunternehmens EnBW aber, das Windräder auf der schwäbischen Alb errichten will, könnten all das zerstören, fürchtet die Vermögensberaterin. Sie ist Sprecherin des Vereins für Mensch und Natur, der mit aller Kraft den geplanten On-ShoreAnlagen den Wind aus den Rotorblättern nehmen will. Sieben bis acht Mitglieder zähle der harte Kern, sagt Steinhart, etwa 50 seien es insgesamt. Jetzt, da die EnBW einen konkreten Antrag für ein Windrad in Veringenstadt eingereicht hat, holt die Gruppe erneut zum Gegenschlag aus.
Gleich zwei mehrere Seiten lange Einwendungen hat der Verein in den vergangenen Monaten vorbereitet und jetzt vorgelegt. Bei der ersten Einwendung geht es um das Gebiet in Kettenacker: Vor einem Jahr hat der Gemeindeverwaltungsverband (GVV), in dem die Laucherttal-Städte zusammengeschlossen sind, einen Teilflächennutzungsplan verabschiedet, der die Zonen für mögliche Windkraftanlagen ausweist. „In dem Flächennutzungsplan ist in Kettenacker ein Abstand von 700 Metern festgelegt worden“, sagt Steinhart. Das sei viel zu nah an der Siedlung, findet sie. Und neueste Messmethoden für Lärm und den so genannten Infraschall, den Windräder erzeugen, würden ihr Recht geben: „Nach den neuen Messmethoden müssen es viel größere Abstände sein.“
Anfang August, gerade noch in der zwölfmonatigen Frist, hat der Verein sein Schreiben beim Gemeindeverwaltungsverband eingereicht. Auf 16 Seiten erläutert er alle Argumente, die gegen die Windkraftanlagen auf der Alb sprächen: Neben Lärm und Infraschall, der Krankheiten bei Anwohnern hervorrufen könnte, geht es unter anderem auch um Schattenwurf, um Eisfall, um Gefahren, die bei einem Blitzeinschlag drohen, um toxische Stoffe, die im Brandfall das Grundwasser verunreinigen könnten, um die Einhaltung von Wasserschutzzonen generell und nicht zuletzt auch um den Wert von Häusern. „Die Immobilie, neben der ein Windrad gebaut wurde, ist hinterher nichts mehr wert“, fürchtet Birgit Steinhart. „Junge Familien, die hier gebaut haben, würden dann ihre ganze Altersvorsorge verlieren.“
Das stärkste Argument gegen den Bau von Windrädern aber ist der Natur- und Artenschutz. Deshalb haben sich die Windkraftgegner zu einem Verein zusammengeschlossen, der sich „langfristig für den Erhalt der Natur einsetzt“, wie Steinhart beschreibt.
Die neue Rechtsform hat viele Vorteile: Als Mitglied in der Natur- schutzinitiative gehört der eingetragene Verein jetzt einem anerkannten Umweltverband an – und der kann bei Umweltthemen Klage einreichen. Mit seinem Status der Gemeinnützigkeit kann der Verein überdies Spenden sammeln, entsprechende Quittungen ausstellen, und genießt eine Steuerbefreiung. Ein wesentlicher finanzieller Vorteil: Denn nur aufgrund der Spenden ließen sich die vielen Gutachten bezahlen, die der Verein bereits in Auftrag gegeben habe, sagt Steinhart. „Es kostet Unmengen Geld, aber viele sind bereit, dafür auch auf einen Urlaub zu verzichten. Wir haben aber auch Spender aus anderen Orten gefunden, die uns für den guten Zweck unterstützen.“
Mit einem besonderen Gutachten schaffte es der Verein für Mensch und Natur bereits, alle Baupläne in Kettenacker schlagartig auf Eis zu legen: Seltene Rotmilane haben sich in der Region niedergelassen. Vereinsmitglieder hatten die Horste entdeckt, in unzähligen Stunden kartiert und von einer Vogelforscherin gutachterlich bestätigen lassen. „Durch das Gutachten ist das Gebiet immer für die drei Folgejahre geschützt“, sagt Sprecherin Steinhart zufrieden. Jährlich werde der Verein die Zeit durch erneute Gutachten verlängern lassen, kündigt sie an. Birgit Steinhart selbst wurde übrigens erst durch ihr Engagement gegen die Windkraft zur eingefleischten Naturschützerin: „Seit ich mich mit dem Thema Windkraft auseinandergesetzt habe, habe ich unglaublich viel gelesen und mich stundenlang eingearbeitet“, erzählt sie.
Damit die Vögel in Kettenacker bleiben und die Windräder möglichst weit weg, sehen die Natur- fürchtet Birgit Steinhart, Sprecherin des Vereins für Mensch und Natur. schützer regelmäßig im Wald nach dem Rechten: „Ein Ehrenamtlicher war fast die ganze Brutzeit über im Wald, um den Horst zu beobachten“, erklärt Steinhart. Süße Bilder von Jungtieren hat er dort ,gemacht. Wo genau sich die Horste befinden, will Birgit Steinhart aber nicht verraten: „Wir fürchten, dass die Tiere sonst vertrieben oder vergiftet werden könnten – oder jemand mit irgendwelchen Mitteln den Horst eliminiert.“
In Veringenstadt hingegen gibt es derzeit kein Milan-Gutachten. Doch auch dort haben die Windkraftgegner und Naturschützer Einwendungen beim Landratsamt Sigmaringen und beim Regierungspräsidium Tübingen eingereicht. Auch hier geht es um Wassergefährdung, um Schatten- VERINGENSTADT (sr) - Ohne große Diskussion hat der Veringer Gemeinderat dem Baugesuch der EnBW zur Errichtung einer Windkraftanlage aus dem Gewann „AlterHau“, welches zwischen Veringenstadt und Inneringen nordwestlich der Buchhöfe liegt, zugestimmt. Mit einer Nabenhöhe von 160 Metern und Rotorendurchmesser von 140 Metern wird die Anlage 230 Meter hoch werden und weit sichtbar sein.
Bürgermeister Armin Christ hatte den Gemeinderäten eine Visualisierung des Windrades aus allen Richtungen vorgestellt, die vom Bauherren erstellt wurde. In der ursprünglichen Planung, die vor knapp drei Jahren schon vorgestellt worden war, sollten drei Windräder auf der Gemarkung entstehen. Übrig geblieben ist jetzt nur noch eines.
Stadtrat Harald Branz stellte die Wirtschaftlichkeit der Anlage in Fra- wurf, Infraschall, Landschaftsplanung, aber auch um Rückbaukosten, bei denen der Verein fordert, dass sie in „ausreichender Form über eine Bürgschaft hinterlegt“werden müssen, „damit eventuelle Kosten schlussendlich nicht der Steuerzahler bezahlen muss“.
Unterzeichnet sind die Einwendungen auch von der Bürgerinitiative Inneringen und der Bürgerinitiative Ittenhausen. Die Windkraftgegner halten zusammen. Auch mit anderen Initiativen haben sie sich vernetzt. Ihr Credo: „Baden-Württemberg ist kein Windkraftland, sondern ein Technologieland. Windkraft sollte man dort realisieren, wo es sich lohnt, aber nicht bei uns, wo kein Wind weht“, so Sprecherin Steinhart.
„Die Immobilie, neben der ein Windrad gebaut wurde, ist hinterher nichts mehr wert“,
ge, die Berechnung dazu sei auf der Homepage der EnBW öffentlich einsehbar: „Mitunter werden nicht einmal 50 Prozent des prognostizierten Ertrags erreicht“, so Branz. Bürgermeister Armin Christ erklärte, dass die Wirtschaftlichkeit nicht als Entscheidungsgrundlage diene, dies sei Sache des Bauherren.
Reinhold Heberle sprach von einem „zweischneidigen Schwert“, welches die Windkraftanlage darstelle, doch im Zweifel bevorzuge er die Windenergie vor dem Strom aus dem Atomkraftwerk. Mit einer Enthaltung gab das Gremium dem Bauantrag statt. Mit gemischten Gefühlen nahmen die anwesenden Bürger die Entscheidung auf. Gar nicht glücklich war Peter Heppeler aus Veringenstadt, einer der wenigen Veringer, der sich öffentlich gegen die Errichtung der Anlage ausspricht.