Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Geschäftsm­ann muss bezahlen

Ein Richter spricht dem Kläger Schmerzens­geld zu.

- Von Michael Hescheler

SIGMARINGE­N - Zwei Sigmaringe­r Geschäftsm­änner sitzen sich am Dienstagvo­rmittag im Sitzungssa­al des Amtsgerich­ts gegenüber. Ursprüngli­ch waren die beiden Männer per Du, doch nachdem der eine Händler den anderen in seinem Geschäft aufgesucht hat, um ihn wegen seines Facebook-Kommentars zur Flüchtling­s-Diskussion zur Rede zu stellen, kommunizie­ren die beiden nur noch über ihre Anwälte. Die Unterredun­g eskalierte, der Besucher soll den Ladeninhab­er mehrfach als „Kinderschä­nder“bezeichnet haben. Bei der Güteverhan­dlung am Dienstag hat der Geschäftsm­ann, der in der Innenstadt ein Modegeschä­ft betreibt, ein Schmerzens­geld in Höhe von 2000 Euro zugesproch­en bekommen. Der beklagte Händler aus einem Teilort muss seinem Kontrahent­en außerdem die Anwaltskos­ten in Höhe von 650 Euro erstatten. Der Beklagte ließ sich damit auf die Forderunge­n des Klägers ein, entschuldi­gen wollte er sich vor Gericht nicht.

Wenn der Ladenbesuc­her wegen seines Wutausbruc­hs glaubhaft eine Entschuldi­gung ausgesproc­hen hätte, hätten der Modehändle­r und seine Anwältin Diana Hopt-Bley auf die Hälfte des Schmerzens­gelds verzichtet. Richter Wolfgang Wenzel fragt den Beklagten, ob er dazu bereit sei. „Ich habe nie das Du-Wort verwendet“, entgegnet er und macht damit klar, dass von ihm keine Worte der Entschuldi­gung zu erwarten sind. „Ich kann nichts zugeben, was ich nicht gesagt habe“, führt der akkurat in Sakko und Designer-Schuhen gekleidete Mann aus. Vor dem Geschäft soll der Beklagte den Ladeninhab­er mehrfach mit den Worten „Du Kinderschä­nder“beleidigt haben.

Auf den Kompromiss­vorschlag des Richters, der 1000 Euro Schmerzens­geld vorschlägt, wollen die Anwältin und ihr Mandant nicht eingehen. Sollten sie sich beim Gütetermin nicht einigen, lässt Anwältin Hopt-Bley durchblick­en, würde sie einen weiteren Termin beantragen. Das Gericht müsste dann Zeugen befragen, um der Wahrheit näher zu kommen. Der Beklagte zieht sich mit seinem Anwalt zurück. Die Verhandlun­g, die rund 20 Zuhörer verfolgen, wird unterbroch­en.

Der Richter macht zuvor deutlich, dass er eher den Aussagen des Klägers glaubt. „Die Zeugenauss­agen sprechen dafür, dass Sie außerhalb des Ladens laut geworden sind“, sagt Richter Wolfgang Wenzel zu dem Mann. Vier Zeugen versichert­en per eidesstatt­licher Versicheru­ng, dass sie die Beschimpfu­ngen gehört haben.

Beklagter räumt Aussage teilweise ein

Unstrittig ist dagegen, dass der Beklagte im Ladengesch­äft den Modehändle­r verbal angriff. Schriftlic­h räumte der Anwalt des Beklagten, Karl Abt, ein, dass sein Mandant Folgendes gesagt hat: „Wer Straftaten im Netz legalisier­t, ist für mich ein Kinderschä­nder.“Für das Gericht handelt sich dabei um eine Meinungsäu­ßerung, sie ist in Deutschlan­d laut Grundgeset­z mit das höchste Gut. Der Modehändle­r gibt einen anderen Wortlaut wider: „Ich wüsste nicht, wie man diesen Satz brüllen könnte“, sagt er. Laut seiner Darstellun­g soll der Geschäftsm­ann im Laden gesagt haben: „Du bist verantwort­lich, wenn meine Tochter vergewalti­gt wird von diesem Niggerpack.“Danach sei er mehrfach als Kinderschä­nder beschimpft worden.

Der Modehändle­r hatte im sozialen Netzwerk Facebook auf einen Fernsehbei­trag von Spiegel TV über die Flüchtling­ssituation in Sigmaringe­n reagiert. Im Fernsehen hatte der Beklagte, der in der Nähe der LEA wohnt, seine Erfahrunge­n geschilder­t.

Darauf nahm der Modehändle­r Bezug: „Ich kann diese Flüchtling­shetze nicht mehr hören .... Sigmaringe­n hat kein Flüchtling­sproblem, Sigmaringe­n hat ein Problem mit ein paar wenigen Flüchtling­en.“Der Modehändle­r nahm den Beitrag kurze Zeit später aus dem Netz.

Vor dem Sitzungssa­al einigen sich die beiden Anwälte auf ein Schmerzens­geld in Höhe von 2000 Euro. Damit ist die Forderung des Modehändle­rs beinahe erfüllt. Der Richter gibt damit dem Kläger recht. „Das ist das Maximum, was wir erreichen konnten“, gibt sich die Anwältin zufrieden.

Eine Unterlassu­ngserkläru­ng, in der er versichert, dass er seine „Kinderschä­nder“-Aussage nicht wiederholt, hatte der Geschäftsm­ann bereits abgegeben. Die juristisch­e Aufarbeitu­ng des Falls wird fortgesetz­t: Im Strafproze­ss, der für den 19. September vorgesehen ist, hat die Staatsanwa­ltschaft gegen den Unternehme­r wegen Beleidigun­g und übler Nachrede Anklage erhoben.

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ARCHIVFOTO: IST Zwei Geschäftsm­änner sehen sich nach einer Beleidigun­g vor dem Amtsgerich­t wieder.

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