Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Geschäftsmann muss bezahlen
Ein Richter spricht dem Kläger Schmerzensgeld zu.
SIGMARINGEN - Zwei Sigmaringer Geschäftsmänner sitzen sich am Dienstagvormittag im Sitzungssaal des Amtsgerichts gegenüber. Ursprünglich waren die beiden Männer per Du, doch nachdem der eine Händler den anderen in seinem Geschäft aufgesucht hat, um ihn wegen seines Facebook-Kommentars zur Flüchtlings-Diskussion zur Rede zu stellen, kommunizieren die beiden nur noch über ihre Anwälte. Die Unterredung eskalierte, der Besucher soll den Ladeninhaber mehrfach als „Kinderschänder“bezeichnet haben. Bei der Güteverhandlung am Dienstag hat der Geschäftsmann, der in der Innenstadt ein Modegeschäft betreibt, ein Schmerzensgeld in Höhe von 2000 Euro zugesprochen bekommen. Der beklagte Händler aus einem Teilort muss seinem Kontrahenten außerdem die Anwaltskosten in Höhe von 650 Euro erstatten. Der Beklagte ließ sich damit auf die Forderungen des Klägers ein, entschuldigen wollte er sich vor Gericht nicht.
Wenn der Ladenbesucher wegen seines Wutausbruchs glaubhaft eine Entschuldigung ausgesprochen hätte, hätten der Modehändler und seine Anwältin Diana Hopt-Bley auf die Hälfte des Schmerzensgelds verzichtet. Richter Wolfgang Wenzel fragt den Beklagten, ob er dazu bereit sei. „Ich habe nie das Du-Wort verwendet“, entgegnet er und macht damit klar, dass von ihm keine Worte der Entschuldigung zu erwarten sind. „Ich kann nichts zugeben, was ich nicht gesagt habe“, führt der akkurat in Sakko und Designer-Schuhen gekleidete Mann aus. Vor dem Geschäft soll der Beklagte den Ladeninhaber mehrfach mit den Worten „Du Kinderschänder“beleidigt haben.
Auf den Kompromissvorschlag des Richters, der 1000 Euro Schmerzensgeld vorschlägt, wollen die Anwältin und ihr Mandant nicht eingehen. Sollten sie sich beim Gütetermin nicht einigen, lässt Anwältin Hopt-Bley durchblicken, würde sie einen weiteren Termin beantragen. Das Gericht müsste dann Zeugen befragen, um der Wahrheit näher zu kommen. Der Beklagte zieht sich mit seinem Anwalt zurück. Die Verhandlung, die rund 20 Zuhörer verfolgen, wird unterbrochen.
Der Richter macht zuvor deutlich, dass er eher den Aussagen des Klägers glaubt. „Die Zeugenaussagen sprechen dafür, dass Sie außerhalb des Ladens laut geworden sind“, sagt Richter Wolfgang Wenzel zu dem Mann. Vier Zeugen versicherten per eidesstattlicher Versicherung, dass sie die Beschimpfungen gehört haben.
Beklagter räumt Aussage teilweise ein
Unstrittig ist dagegen, dass der Beklagte im Ladengeschäft den Modehändler verbal angriff. Schriftlich räumte der Anwalt des Beklagten, Karl Abt, ein, dass sein Mandant Folgendes gesagt hat: „Wer Straftaten im Netz legalisiert, ist für mich ein Kinderschänder.“Für das Gericht handelt sich dabei um eine Meinungsäußerung, sie ist in Deutschland laut Grundgesetz mit das höchste Gut. Der Modehändler gibt einen anderen Wortlaut wider: „Ich wüsste nicht, wie man diesen Satz brüllen könnte“, sagt er. Laut seiner Darstellung soll der Geschäftsmann im Laden gesagt haben: „Du bist verantwortlich, wenn meine Tochter vergewaltigt wird von diesem Niggerpack.“Danach sei er mehrfach als Kinderschänder beschimpft worden.
Der Modehändler hatte im sozialen Netzwerk Facebook auf einen Fernsehbeitrag von Spiegel TV über die Flüchtlingssituation in Sigmaringen reagiert. Im Fernsehen hatte der Beklagte, der in der Nähe der LEA wohnt, seine Erfahrungen geschildert.
Darauf nahm der Modehändler Bezug: „Ich kann diese Flüchtlingshetze nicht mehr hören .... Sigmaringen hat kein Flüchtlingsproblem, Sigmaringen hat ein Problem mit ein paar wenigen Flüchtlingen.“Der Modehändler nahm den Beitrag kurze Zeit später aus dem Netz.
Vor dem Sitzungssaal einigen sich die beiden Anwälte auf ein Schmerzensgeld in Höhe von 2000 Euro. Damit ist die Forderung des Modehändlers beinahe erfüllt. Der Richter gibt damit dem Kläger recht. „Das ist das Maximum, was wir erreichen konnten“, gibt sich die Anwältin zufrieden.
Eine Unterlassungserklärung, in der er versichert, dass er seine „Kinderschänder“-Aussage nicht wiederholt, hatte der Geschäftsmann bereits abgegeben. Die juristische Aufarbeitung des Falls wird fortgesetzt: Im Strafprozess, der für den 19. September vorgesehen ist, hat die Staatsanwaltschaft gegen den Unternehmer wegen Beleidigung und übler Nachrede Anklage erhoben.