Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Jugendbande: Nichts hat geholfen
Stadt und Landratsamt kümmern sich schon lange um delinquente Jugendliche
TUTTLINGEN (cg) - Die Nachricht hat in der vergangenen Woche aufhorchen lassen: Drei Mitglieder eine Jugendbande sitzen in Haft, ein 13Jähriger wurde in einer geschlossenen Jugendeinrichtung untergebracht. Ihnen werden mehr als hundert Straftaten zur Last gelegt. Alle erzieherischen Maßnahmen waren zuvor fruchtlos geblieben.
So hatten die Jugendarbeiter der Stadt Tuttlingen insgesamt fünf Mitglieder der Jugendbande im Alter von
13 bis 17 Jahren schon im Fokus und gezielt versucht, mit Angeboten zu ihnen durchzudringen. „Mehrere von ihnen waren eine Zeit lang im Jukuz zu Gast“, betont Stadt-Pressesprecher Arno Specht. Zwischenzeitlich habe es so ausgesehen, als ob der Dialog auf fruchtbaren Boden fiel. Dann der Rückschlag: Im Jugendkulturzentrum häuften sich Diebstähle und Sachbeschädigungen. In der Folge wurde den Mitgliedern der Jugendbande ein Hausverbot im Jukuz erteilt. „Wir mussten die anderen Jugendlichen und die Einrichtung schützen“, sagt Specht.
Jugendsozialarbeit ist freiwillig: „Wir können die Jugendlichen nicht zwingen. Die Jugendsozialarbeit hat seine Grenzen, und die war in diesem Fall erreicht“, betont Specht. Neben dem Betretungsverbot für das Jukuz hatten die Mitglieder der Jugendbande auch ein Aufenthaltsverbot für die Innenstadt. Doch: „Wir können nicht überall jemanden haben, der das durchsetzt“, zeigt Specht die Grenzen der Maßnahme auf. Interessiert hat das Verbot die Gruppe ohnehin nicht.
Seit Anfang Juli hatte die Polizei eine Ermittlungsgruppe Innenstadt eingerichtet. Die Jugendbande stand zu diesem Zeitpunkt laut PolizeiPressesprecher Michael Aschenbrenner schon im Fokus der polizeilichen Arbeit, auch weil ihre Mitglieder schon vor Gericht gestanden hatten: „So hatten wir die Zeit und die man power, um an den Jugendlichen dran zu bleiben“, sagt Aschenbrenner. Fünf Kollegen hätten in der Ermittlungsgruppe gearbeitet. Die Fäden liefen bei der Kriminalpolizei zusammen.
Nach eineinhalb Monaten war die Beweislage so klar, dass die Staatsanwaltschaft in Rottweil die Haftbefehle ausstellte und den 13-Jährigen in einer geschlossenen Jugendeinrichtung unterbrachte. „Die Intensität bei den Straftaten hat zugelegt“, sagt Aschenbrenner. Zuletzt habe es in der Nacht drei bis fünf Vorfälle gegeben. Auch das habe zum schnellen Ermittlungserfolg beigetragen.
Auch das Jugendamt des Landratsamts befasst sich schon länger mit den Jugendlichen. In einem ersten Schritt, so berichtet Marina Papadimitriou, kommissarische Leiterin des Amts für Familie, Kinder und Jugend, beim Landratsamt, gehe es in einem solchen Fall um erzieherische Gespräche, mit denen versucht wird, die Jugendlichen wieder einzufangen und in eine andere Richtung zu lenken. „Das geht in der Regel ganz gut“, sagt sie. Vor allem dann, wenn die Eltern mitarbeiten.
In einem zweiten Schritt werde das soziale Umfeld der Jugendlichen einbezogen und an einen runden Tisch gebracht. Das können dann Vertreter der Schule, Streetworker und Vereinsvertreter sein. „Wenn alle Stricke reißen und alles erfolglos geblieben ist, dann kommt als nächstes das Zusammenwirken mit Amtsgericht und Staatsanwaltschaft“, sagt Marina Papadimitriou.
Bei den Mitgliedern der Jugendbande hätte die Ansprache keinen Erfolg gebracht. Sozialstunden hätten die Jugendlichen gar nicht erst angetreten. „Mitwirkungsbereitschaft und Einsicht müssen da sein. Das ist unabdingbar“, erklärt Marina Papadimitriou, wann das Jugendamt bei delinquenten Jugendlichen Erfolg hat.
Wegen der Fremdgefährdung seien die drei Jugendlichen, die älter als 14 Jahre und damit strafmündig sind, jetzt in Untersuchungshaft genommen worden. Dem hätten ihre Eltern auch zugestimmt. Ansonsten hätten sie wegen der Verletzung der Fürsorgeund Erziehungspflicht zur Verantwortung gezogen werden können. Trotz des Jugendarrests prüft die Polizei diesen Sachverhalt dennoch. Das Jugendamt betreut laut Marina Papadimitriou die Jugendlichen auch in der Haft weiter.