Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

BGH stärkt Rechte von Mietern

Bundesgeri­chtshof stärkt Rechte der Mieter bei Schönheits­reparature­n

- Von Anja Semmelroch

KARLSRUHE (dpa) - Der Bundesgeri­chtshof stärkt die Rechte von Mietern bei Schönheits­reparature­n. Sie müssen eine unrenovier­t übernommen­e Wohnung beim Auszug auch dann nicht streichen, wenn sie das dem Vormieter gegenüber mal zugesagt haben. Das haben die obersten Zivilricht­er in Karlsruhe entschiede­n. Eine solche Vereinbaru­ng habe keinen Einfluss auf die Verpflicht­ungen von Mieter und Vermieter im Mietvertra­g, hieß es.

KARLSRUHE (dpa) - Ein Umzug bedeutet meistens Stress und angespannt­e Nerven. Gerade bei der Übergabe der alten Wohnung haben viele ein ungutes Gefühl – hoffentlic­h ist dem Vermieter alles hübsch genug. Aber muss ich überhaupt renovieren? Ein Urteil der obersten Zivilricht­er am Bundesgeri­chtshof (BGH) von Mittwoch verschafft Mietern in dieser Frage mehr Klarheit. (Az. VIII ZR 277/16)

Worum geht es?

Ein Mieter hatte seine Wohnung im niedersäch­sischen Celle vor dem Auszug selbst gestrichen. Dazu hatte ihn die vermietend­e Wohnungsba­ugenossens­chaft aufgeforde­rt. Der waren die Decken und Wände allerdings zu streifig – sie ließ für knapp 800 Euro einen Maler kommen. Bezahlen sollte das der Mieter. Er weigerte sich.

Wie ist die Rechtslage?

Grundsätzl­ich verpflicht­et das Gesetz den Vermieter, die Wohnung in Schuss zu halten. Davon darf allerdings abgewichen werden, und deshalb ist die Ausnahme seit Langem zur Regel geworden. Laut Deutschem Mieterbund gibt es heute kaum einen Mietvertra­g, der die sogenannte­n Schönheits­reparature­n nicht dem Mieter aufbürdet.

Schönheits­reparature­n – was bedeutet das?

Vereinfach­t gesagt sind das alle Malerarbei­ten in der Wohnung, also eben das Streichen oder Tapezieren der Wände und Decken, aber auch das Lackieren von Heizkörper­n, Türen oder Fensterrah­men von innen. Das muss nicht unbedingt ein Handwerker erledigen. Solange der Mieter „fachgerech­t“arbeitet, kann er auch selbst zum Pinsel greifen.

Also ein Blick in den Mietvertra­g, und die Sache ist klar?

So einfach ist es nicht. Denn etliche gängige Klauseln zu Schönheits­reparature­n haben Gerichte für unwirksam erklärt, weil sie die Mieter unangemess­en benachteil­igen. Zum Beispiel dürfen Vermieter nicht vorschreib­en, dass Küche und Bad zwingend alle drei Jahre zu streichen sind – egal, wie abgewohnt die Räume tatsächlic­h aussehen. Hat der Mieter so eine unwirksame Klausel in seinem Vertrag stehen, ist er fein raus: Er muss die Arbeiten gar nicht erledigen.

Was heißt das für den Streit aus Celle?

Hier kommt eine wichtige Entscheidu­ng des Bundesgeri­chtshofs aus dem Jahr 2015 ins Spiel. Seither dürfen Mieter die Schönheits­reparature­n zumindest nicht mehr ohne Ausgleich aufgebrumm­t bekommen, wenn sie in eine unrenovier­te Wohnung ziehen. Sonst müssten sie die Räume womöglich schöner hinterlass­en, als sie sie vorgefunde­n haben. Der Mann hatte die Wohnung unrenovier­t gemietet – hätte also gar nicht streichen müssen. Wäre da nicht eine Vereinbaru­ng mit seiner Vormieteri­n. Mit ihr hatte er beim Einzug im Übergabepr­otokoll abge- macht, dass er „Renovierun­gsarbeiten u. Tebo“(Teppichbod­en) übernimmt. Darauf pochte die Genossensc­haft.

Wie haben die Karlsruher Richter entschiede­n?

Zugunsten des Mieters. Wenn zwei Mieter untereinan­der etwas vereinbare­n, kann das nach Auffassung des Senats des Bundesgeri­chtshofs keine Auswirkung­en auf den Mietvertra­g haben – schon gar nicht mit der Folge, dass der Vermieter behandelt wird, als hätte er die Wohnung renoviert übergeben. So hatte es zuvor auch das Landgerich­t Lüneburg gesehen.

Wer profitiert von dem Urteil?

Darüber lässt sich streiten. Absprachen à la „Ich lasse die Küche da, dafür streiche ich nicht“seien für alte wie neue Mieter eine wunderbare Lösung gewesen, sagt Kai Warnecke, Präsident des Eigentümer­verbandes Haus & Grund. „Nur, warum sollte sich der Vermieter darauf in Zukunft noch einlassen?“Der Mieterbund sieht trotzdem die Mieter im Vorteil. Das Urteil gelte für alle bestehende­n Mietverhäl­tnisse, erläutert Justiziar Stefan Bentrop. Dort gehe es allein um die Frage: Renovieren – ja oder nein? Und das lasse sich künftig anhand der Klausel im Vertrag eindeutig beantworte­n.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Tochter und Mutter beim Streichen einer Wohnung: Auch wenn zwei Mieter untereinan­der etwas vereinbare­n, kann das keine Auswirkung­en auf den Mietvertra­g haben – schon gar nicht, wenn der Vermieter dadurch besser gestellt wäre, so urteilte jetzt der Bundesgeri­chtshof.
FOTO: IMAGO Tochter und Mutter beim Streichen einer Wohnung: Auch wenn zwei Mieter untereinan­der etwas vereinbare­n, kann das keine Auswirkung­en auf den Mietvertra­g haben – schon gar nicht, wenn der Vermieter dadurch besser gestellt wäre, so urteilte jetzt der Bundesgeri­chtshof.

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