Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Urlaub ist für viele Spanier ein Luxus

Das Königreich kommt nur langsam aus der Krise – Positive Einstellun­g zur Europäisch­en Union

- Von Ralph Schulze

MADRID - Spaniens Konjunktur brummt, mehr Touristen kommen – 2017 waren es 82 Millionen ausländisc­he Reisende – , die Arbeitslos­enzahlen sinken: Der neue sozialisti­sche Regierungs­chef Pedro Sánchez hat Anfang Juni die Macht in einem Land übernommen, das sich von seiner großen Finanz- und Wirtschaft­skrise erholte – überwunden ist sie noch lange nicht: Laut Eurostat sind 27 Prozent der Menschen von Armut oder sozialer Ausgrenzun­g bedroht – in Deutschlan­d sind es 20 Prozent.

Im Urlaubslan­d Spanien, der viertgrößt­en Volkswirts­chaft der Eurozone, ist für viele Einheimisc­he eine Ferienwoch­e unerschwin­glicher Luxus. Ein Drittel der spanischen Familien kann sich laut einer Umfrage des staatliche­n Statistika­mtes INE keinen Urlaub leisten, weil sie dafür kein Geld haben. Nicht wenige Spanier verbringen ihre Ferien zu Hause. Oder sie besuchen die Verwandtsc­haft auf dem Land, die für Familienbe­such stets ein Bett frei hat.

Spaniens große Jobkrise entspannte sich zwar etwas – die Arbeitslos­enquote ist aber weiterhin die zweithöchs­te der EU (siehe Kasten); jeder Dritte der unter 25-Jährigen steht auf der Straße. Fast die Hälfte der arbeitslos Gemeldeten bekommt keinerlei finanziell­e Hilfe. Hunderttau­sende junge Leute, darunter viele Wissenscha­ftler, wanderten aus.

Sinkende Löhne

Auch wer Arbeit hat, muss sich auf sinkende Löhne und prekäre Bedingunge­n einstellen. 90 Prozent der neuen Beschäftig­ungsverhäl­tnisse sind zeitlich befristet. Vor allem Handel und Tourismus beleben den Jobmarkt. Vor Sommerbegi­nn wurden viele Arbeitssuc­hende als Kellner, Hotelanges­tellte und Verkäufer zu Löhnen unter 1000 Euro angeheuert – und es sind nur Saisonjobs. Sorgen bereitet auch ein großes Loch in der Rentenvers­icherung. Die Rentenausg­aben steigen sehr viel schneller als die Einnahmen. Zum einen durch die Alterung der Bevölkerun­g, zum anderen durch das sich ausbreiten­de Lohndumpin­g, mit dem die abgeführte­n Rentenbeit­räge sinken.

Die Staatsvers­chuldung drückt ebenfalls. Spanien gehört, gleich hinter Malta, immer noch zu den schlimmste­n EU-Etatsünder­n. Die Gesamtvers­chuldung stieg von 70 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es (BIP) auf 98,3 des BIP. Sánchez rang der EU-Kommission eine weitere Aufweichun­g der Defizitzie­le ab. Für

2018 wird jetzt nur noch eine bescheiden­e Verringeru­ng des Etatminus auf

2,7 Prozent angestrebt. Sánchez kündigte an, dass der ausgeglich­ene Etat erst 2022 angesteuer­t werde. Der Sozialist will in die Bildungs- und Sozialpoli­tik investiere­n. Kindergärt­en, Schulen, Bibliothek­en, Universitä­ten, Forschungs­einrichtun­gen – alle Bildungsei­nrichtunge­n pfeifen aus dem letzten Loch. Auch bei der Förderung von einkommens­schwachen Familien will Sánchez neue Akzente setzen.

In kaum einem anderen Land sind die Bürger so positiv gegenüber Europa eingestell­t wie in Spanien. Zwei Drittel sind laut der Eurobarome­terUmfrage hinsichtli­ch der EU-Zukunft optimistis­ch. Mehr als 80 Prozent bewerten die EU und die Eurozone als nützlich.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany